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Entartete Kunst

Bildersturm vor 25 Jahren


Bücher aus Bayern   Autor: Haus der Kunst
Verlag: Haus der Kunst
ISBN: B002H670TO ()
Erscheinung: 1962
Seiten: 459

VORWORT

Allgemein ist der Gedanke mit verständnisvoller Zustimmung aufgenommen worden, in München durch eine retrospektive Veranstaltung an den Bildersturm vor 25 Jahren zu erinnern. In absichtlich abscheulicher Anordnung wurde in Räumen an der Galeriestraße als «ENTARTETE KUNST» gezeigt, was auf Hitlers Befehl aus den deutschen Museen entfernt worden war, während gleichzeitig im Haus der Deutschen Kunst die heute gottlob ins Dunkel zurückversetzten Zeugnisse der als vorbildlich gepriesenen Nazi-Kunst — völkisch, gegenständlich ansprechend und rasserein — vornehm zur Schau gestellt wurden. 1962 soll neu überprüft und rehabilitiert werden, was 1937 verfemt wurde.

Es handelt sich jedoch nicht um eine Rekonstruktion dessen, was damals zur Abschreckung gezeigt wurde. Das war schon aus technischen Gründen unmöglich: vieles ist zerstört worden, manches verbirgt sich an heute unbekanntem Ort und endlich — das war besonders schmerzlich für die Veranstalter —: nicht wenige Besitzer haben sich nicht dazu entschließen können, Hauptwerke herzuleihen, die sie damals billig erwerben konnten und die ihnen heute als unentbehrlich und als zu kostbar erscheinen, um sie dem Transport nach München anzuvertrauen. Auch mußte Rücksicht genommen werden auf parallellaufende Veranstaltungen wie die Erinnerungsschau an die Sonderbund-Ausstellung von 1912 in Köln oder die umfassende Kokoschka-Ausstellung in der Londoner Täte Gallery, endlich auch auf eben neugeordnete Sammlungen, die ihre Schätze aus diesem Anlaß nicht glaubten entbehren zu können.

Der Arbeitsausschuß hat sich jedoch nicht entmutigen lassen, und die Fülle dessen, was uns an ausgezeichneten Werken freudig zur Verfügung gestellt worden ist, läßt uns zuversichtlich hoffen, daß die Ausstellung ihren Zweck erfüllen wird: ein Memento zu sein, ein eindrucksvolles Zeichen nachdrücklichen und besinnlichen Gedenkens.

Der Betrachter aber sollte es sich ganz klarmachen, was er erwarten darf und was nicht. Ausgestellt sind lediglich solche Werke, die während des nationalsozialistischen Regimes — teils durch Beschlagnahme bei der großen Säuberungsaktion 1937, teils früher oder später durch unverantwortlichen Verkauf der örtlichen Verwaltungen — aus öffentlichem Besitz entfernt worden sind. Es sind auch solche darunter, die dann nach 1945 zurückerworben sind (käuflich zurückerworben, obgleich entschädigungslos enteignet!), jedoch nicht immer von den gleichen Sammlungen, die sie früher besessen hatten. Ein schönes Zeichen für verantwortungsvolle Rückbesinnung auf verlorene Werte.

Die Feststellung des Verbleibs, war vielfach erschwert durch die Ungenauigkeit der damals geführten Listen und ängstliche Vernichtung mancher Korrespondenzen, die zur Aufklärung hätten dienen können. Hilfreich war vor allem eine in Berlin durchgeführte Aufstellung, die uns Professor Dr. P. O. Rave aus dem Besitz der Staatlichen Kunstbibliothek zugänglich gemacht hat. Ihm, der während unserer vorbereitenden Arbeiten verstorben ist, verdanken wir auch sonst viele freundliche Hilfe. Meistens haben diese Berliner Angaben erfolgreich nachgeprüft werden können, aber es besteht durchaus die Möglichkeit, daß kleine Irrtümer unterlaufen sind, niemals jedoch in bezug auf die Namen der damals verfemten Künstler, nur auf das einzelne Werk. Es darf als eine der erwünschtesten Folgen unserer Ausstellung bezeichnet werden, wenn es bei dieser Gelegenheit gelingen sollte, die Angaben unseres Kataloges zu ergänzen oder zu berichtigen. Wir verweisen ferner zur weiteren Information auf drei in Vorbereitung befindliche Publikationen: von Franz Roh (Fackelträger-Verlag, Hannover), Hildegard Brenner (Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg) und Wilhelm F. Arntz, die sich mit den Auswirkungen des nationalsozialistischen Machtkampfes auf kunstpolitischem Gebiet befassen. Soweit die von uns um Rat befragten Verfasser unserem Wunsche entsprochen haben, sei ihnen auch an dieser Stelle herzlich gedankt.

Bei der notwendig beschränkten Auswahl der in unsere Ausstellung aufgenommenen Kunstwerke - es sind tausende beschlagnahmt worden! - haben nur Arbeiten der wichtigsten oder für jene Zeit am meisten charakteristischen Künstler berücksichtigt werden können, ganz abgesehen davon, daß längst nicht alles Erwünschte zur Verfügung stand. So wird es nicht ausbleiben, daß man die Auswahl als subjektiv bezeichnet. Was aber kann von einem vielköpfigen Arbeitsausschuß erwartet werden als eine sorgfältige Abstimmung der verschiedenen Urteile nach bestem Wissen und Gewissen?

Besonderer Wert ist gelegt worden auf eine möglichst reiche Ausbreitung des graphischen Materials, das auch in kleineren Museen schon vor 1933 qualitätvoll und fortschrittlich gesammelt worden ist. Hier können zwar nicht in jedem Fall die beschlagnahmten Exemplare gezeigt werden, die in großem Umfange zerstört worden sind, und deren Rest durch den Kunsthandel in alle Winde zerstreut wurde, aber genau entsprechende Drucke, wie sie im Besitz unserer öffentlichen Sammlungen gewesen sind. Das gleiche gilt von einigen Werken der Plastik, die wir in anderen Güssen vorführen müssen, als den damals aus den Museen entfernten, die aber ausnahmslos aus der gleichen Form gegossen worden sind.

Was die ausgestellten Originale nicht in vollem Umfange zu leisten vermögen, das kann der aufmerksame Betrachter sich anschaulich hinzugewinnen durch die Großphotos und farbigen Reproduktionen von einigen Hauptwerken, die wir für unsere Veranstaltung nicht gewinnen konnten. Ergänzt werden diese Schaubilder durch die Texte und Photos der Abteilung Dokumentation, die besonders den jüngeren Besuchern, die jene Jahre selbst nicht miterlebt haben, Art und Umfang der Verfemung zum Bewußtsein bringen möchten. Sie werden erkennen, was heute nicht selten vergessen oder vertuscht wird: daß es sich nicht etwa um kleine Differenzen der ästhetischen Beurteilung gehandelt hat, wie sie durchaus fruchtbar zu allen Zeiten bestanden haben, sondern um eine so noch niemals dagewesene Kampfansage an die höchste künstlerische Qualität als Folgeerscheinung einer verblendeten, totalitären politischen Zielsetzung.

Allen denen, die uns ihre Schätze für unsere Ausstellung anvertraut haben — öffentlichen Institutionen und ihren Leitern sowohl als privaten Sammlern — auch allen denen, die uns mit Rat und Tat hilfreich gewesen sind, gilt unser aufrichtiger Dank. Wir wissen, daß diese Leihgaben in vielen Fällen ein erhebliches Opfer bedeuten, das aber im Interesse einer Veranstaltung gebracht worden ist, die von Künstlerschaft und Kunstfreunden weit über Deutschland hinaus als ein nobile officium empfunden wird.

Der Arbeitsausschuß

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in Zusammenarbeit mit Gerhard Willhalm (stadtgeschichte-muenchen.de)


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