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Renzessionen

Streifzüge zu vergessenen Münchnerinnen

Adelheid Schmidt-Thomé in ihrem neuen Buch versammelt Frauenporträts zu wenig beachteter Münchnerinnen.

Ihre Namen haben sich nicht ins kulturelle Gedächtnis eingeschrieben. An »Vergessene Münchnerinnen« erinnert die Lektorin Adelheid Schmidt-Thomé. Das Thema beschäftigt sie schon seit einigen Jahren, und aus ihren Recherchen, zu denen sie Spaziergänge auf dem Alten Südfriedhof inspirierten, hat sie 2016 erstmals einen Kalender geschaffen. Nun hat sie längere Texte in einem Buch versammelt, dramatische, aufregende, mutige und traurig beschränkte weibliche Lebensgeschichten.

In kleinen, mit Porträts illustrierten Kapiteln zeichnet sie die Biografien von Frauenrechtlerinnen, rebellischen Liebenden, Schauspielerinnen, Sängerinnen und vor allem Schriftstellerinnen nach, darunter Elsa Bernstein, die Autorin des Märchendramas »Königskinder«, das Humperdinck als Oper vertonte, und die 1942 im KZ Theresienstadt gestorbene Carry Brachvogel, deren »geistvolle Bosheit« Rilke pries und deren Romane mittlerweile wieder aufgelegt werden. Wir begegnen der Stifterin des Theatermuseums Klara Ziegler und der Putzmacherin Josepha Schwarz, deren Familie als Folie für Hebbels »Maria Magdalena« diente. Manch ein Gesicht kennt man aus dem Museum, wie das von Irene von Keller, die uns als »Irene in Weiß« in der Neuen Pinakothek in die Augen schaut, oder das von Wilhelmine Gedon, die Leibl porträtiert hat. Ob man auch Sisis Schwester Marie in Bayern, die letzte Königin beider Sizilien und »Heldin von Gaeta«, als »vergessene Münchnerin« bezeichnen kann, darüber lässt sich allerdings streiten.

Dass der Band aus einem Kalenderprojekt hervorgegangen ist, merkt man ihm an. Schmidt-Thomé hat die Biografien nicht thematisch gebündelt, sondern reiht sie alphabetisch auf und versieht sie mitunter mit allzu harmlos netten Kommentaren. Wenn der Mann der Gutsbesitzerin und Sozialreformerin Viktorine von Butler-Haimhausen davon schwärmt, »wie sie mit Liebe, unermüdlicher Tätigkeit, gekräftigt durch ein tiefes religiöses Gefühl, unermüdet und zu jedem Opfer bereit«, ihre Pflichten als Gattin, Hausfrau und Mutter erfüllte, meint die Autorin: »Das klingt nach einer guten Ehe, nach einer gleichberechtigten Partnerschaft, in der beide harmonisch zusammenarbeiteten.« Jedes noch so konventionell blumige Frauenlob wird hier ernst und wörtlich genommen. Wenn die einst als »Tante Emmy« populäre bettlägrige Schriftstellerin Emilie Giehrl ihre Nähe zu Christus im Leiden beschwört und bekennt »Ich liebe es, krank und schwach zu sein«, erklärt Schmidt-Thomé: »Eine lebenslange Krankheit (…) als Aufgabe anzunehmen, ja schätzen zu lernen – das ist eine Haltung, die uns Heutigen fremd ist.« Angesichts der Fülle von Studien über die weibliche Besetzung und religiöse Überhöhung von Krankheiten durch die Jahrhunderte ist das eine sehr treuherzig schlichte Anmerkung.

Dies ist kein Buch, das sich von vorn bis hinten auslesen lässt, ohne ermüdend zu werden. Doch man findet darin viele kulturhistorisch interessante Geschichten und Zitate, und es ist eine schöne Begleitlektüre für Streifzüge durch München.

 Petra Hallmayer

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Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise die Kulturzeitung „Münchner Feuilleton“ zur Verfügung gestellt.

Streifzüge zu vergessenen Münchnerinnen

litera bavarica ist eine Unternehmung der Histonauten und der Edition Luftschiffer (ein Imprint der edition tingeltangel)
in Zusammenarbeit mit Gerhard Willhalm (stadtgeschichte-muenchen.de)


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