11.12.2020 | Hannes S. Macher
Jeden Donnerstag treffen sich Amira, Sara, Alex, Ben und Matthias bei ihrem Lieblingsgriechen in Deisenhofen, um höchst engagiert über Politik, vor allem über die drohende Klimakatastrophe und die weltweite Umweltzerstörung zu diskutieren. Beim Räsonieren wollen sie es freilich nicht belassen. Es muss gehandelt werden. Aber wie? Matthias schreitet als Erster zur Tat: Einen von ihm umgesägten Baum lässt er auf die Autobahn bei Nürnberg krachen, um die Autofahrer im so entstandenen Stau zum Nachdenken über die Folgen des von ihnen verursachten CO2-Ausstoßes zu zwingen. Da capo am Irschenberg. Doch dabei bleibt es nicht: Nach den Bäumen fallen Schüsse. Zum Entsetzen der anderen in der Clique radikalisiert sich Alex. Auf verschiedenen Autobahnabschnitten schießt er mit dem Gewehr auf die Reifen der vorbeifahrenden Pkws und Lkws. Tote und Verletzte sind zu beklagen. Die Polizei rotiert, sucht krampfhaft nach den Tätern, die Bekennerschreiben hinterlassen.
Wie einen Film mit raffiniert ineinander verflochtenen Szenen lässt der Autor diesen Ökokrimi über eine zunächst eingeschworene Clique von Umweltaktivisten ablaufen, deren Wege sich jedoch trennen, als Gewaltanwendung zum Ziel führen soll. Ungemein spannend beschreibt Schönmüller die Eskalation, taucht psychologisch tief in die unterschiedlichen Charaktere der fünf Protagonisten ein. Und er schildert mit herrlich ironischem Unterton die Anstrengungen der Polizei, der »Öko-Terroristen« habhaft zu werden, bis sich Alex, eingekesselt vom SEK, nach seiner letzten Auto-Abknall-Aktion im Windrad gegenüber der Allianz-Arena verschanzt und Matthias in der U-Haft in Stadelheim landet. Amira, Sara und Ben wollen ein neues Leben beginnen. Open end. Ein Buch, das ganz gewaltig unter die Haut geht.
Diese Rezension wurde uns freundlicherweise vom Münchner Feuilleton zur Verfügung gestellt.
Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Münchner Feuilleton zur Verfügung gestellt.
01.05.2021 | Hannes S. Macher
Die Villa am See, das ist der Sehnsuchtsort schlechthin. Der Starnberger See ist in dieser Hinsicht geradezu ein Paradies. Katja Sebald hat den Villen ein Buch gewidmet.
Blaublütige und Bierbarone, ehrenwerte Künstler und windige Geschäftemacher, angesehene Münchner Kunstpäpste und protzende Fabrikanten aus dem Ruhrgebiet, weltgewandte Nobelpreisträger und miese Hochstapler, schwerreiche Rentiers und zu Geld und Ruhm gekommene Sportler ließen sich an den Gestaden des Starnberger Sees nieder. Ein buntes Völkchen, das da (mit dem entsprechenden »Kleingeld« in der Tasche) seinen Wohlstand zur Schau stellt. Die Autorin, die bereits mehrere Monografien über das Fünfseenland verfasst hat, stellt in diesem Prachtband mit ganzseitigen Farbfotos und einer Fülle weiterer Schwarz-Weiß- und Farbfotos 44 in erster Linie repräsentative historische Gebäude vor, die auch heutzutage zum größten Teil noch von den Nachfahren der einstigen Bauherren bewohnt und liebevoll gepflegt werden. Den Anfang, in idyllischen Refugien am und oberhalb des Starnberger Sees mit Blick auf die Wellen und auf das Gebirge zu residieren und den Sommer zu genießen, machte der bayerische Adel, gefolgt von den Plein-Air-Malern (wie etwa Max Joseph Wagenbauer) und später Moritz von Schwind oder Franz von Lenbach. Schließlich zog es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts das wohlhabende Münchner Großbürgertum an die Gestade zwischen Starnberg und Seeshaupt. Standesgemäß wohnen, lautete die Devise, weshalb die Architekten sich geradezu überboten (und die Bauherren die nötigen finanziellen Mittel dazu auch besaßen), Villen und Landhäuser zunächst im klassizistischen »Styl«, dann in luxuriöser Nachbildung oberbayerischer Bauernhäuser oder toskanischer Villen, schließlich am Ende des 19. Jahrhunderts als spätromantische Ritterburgen mit Erkern und Türmchen zu entwerfen. Nach zahlreichen Musikern und Literaten (wie Thomas Mann oder Waldemar Bonsels), Schauspielerinnen (wie Clara Ziegler), Filmstars (wie Hans Albers) und anderen Künstlern kamen auch hochrangige Nazibonzen, die sich ihre Traumhäuser nach ihren Vorstellungen errichten ließen. Die geschmackvolle Ausstattung der Salons und der Wohnräume in den altehrwürdigen Villen mit wertvollen Stilmöbeln, Teppichen und Gemälden sowie die Ausschmückung der Parks und Gärten mit üppigen Blumenrabatten und Brunnen hat Katja Sebald in ihrem Text bestens eingefangen. Dafür hat sie reichhaltiges Material in Archiven und Bibliotheken ausgewertet sowie Interviews mit zahlreichen Besitzern über die Geschichte der historischen Villen geführt. In kurzweiligen Essays porträtiert sie diese größtenteils unter Denkmalschutz stehenden feudalen Domizile samt dem denkwürdigen und des Öfteren auch schicksalhaften Leben in diesen geschichtsträchtigen Luxusimmobilien am Starnberger See mit ihren heutzutage schwindelerregenden Kaufpreisen.
Diese Rezension wurde uns freundlicherweise vom Münchner Feuilleton zur Verfügung gestellt.
Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Münchner Feuilleton zur Verfügung gestellt.