Autor | Huber Brigitte |
Herausgeber | Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Historischer Verein von Oberbayern, Münchner Stadtmuseum |
Verlag | Hirmer |
Seiten | 192 |
Gattung | Biographisches |
Epoche | 1800–1900 |
Personen | Edlinger Johann Georg |
Ort | München |
Regierungsbezirk | Oberbayern |
Suchbegriff | Portraitist, Portraitmalerei, Aufklärung |
ISBN | EAN | 3777436232 | 978377743623 |
Erschienen | Februar 2021 |
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Johann Georg Edlinger war zwei Jahrzehnte lang ein gefragter Porträtist in der bayerischen Landeshauptstadt. Sein Werk bildet eine einzigartige Galerie der Münchner Gesellschaft um 1800. Nirgendwo sonst ist die Einwohnerschaft einer Stadt vor der Entstehung der Fotografie durch einen so umfangreichen Porträtbestand ähnlich lebendig ins Bild gesetzt.
Die Publikation zeichnet den facettenreichen Lebensweg eines eigenwilligen Künstlers nach, diskutiert dessen Rezeptionsgeschichte und stellt erstmals sein Werk in Farbabbildungen vor. Kurzbiografien der Porträtierten lassen ein überraschendes Who is who der bayerischen Aufklärung erstehen. Kataloge der Edlinger-Bestände in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und im Münchner Stadtmuseum sowie ein Verzeichnis sämtlicher nach Porträts von Edlinger gefertigten Grafiken ergänzen die bildreiche Monografie.
Jedem, der sich mit der Geschichte Münchens und seiner Bewohner um 1800 beschäftigt, ist der Hinweis „gemalt von Johann Georg Edlinger“ mit Sicherheit begegnet. Der Künstler hat im Laufe von knapp fünf Jahrzehnten Hunderte von Personen aus allen Ständen porträtiert: vom Kurfürsten bis zum Taglöhner. Er schuf damit eine aus heutiger Sicht einzigartige Porträtgalerie der Münchner Stadtgesellschaft seiner Zeit.
Doch wollte man Näheres zu dem Porträtisten und seinem Werk erfahren, kam man über ein paar Lexikonbeiträge und kleinere Aufsätze nicht hinaus. Das hat sich nun entschieden geändert, in sehr erfreulicher Weise sogar! Die Historikerin Brigitte Huber hat sich in jahrelanger Arbeit und mit großem Engagement auf die Spur des Künstlers begeben, dessen Werk vor allem deswegen so schwer zu greifen ist, weil sich die meisten Gemälde in Privatbesitz befinden oder zumindest befanden. Den letzten Anstoß für die nun vorliegende umfangreiche Publikation gaben die jüngsten Erwerbungen des Münchner Stadtmuseums. 2015/2017 konnten mit Hilfe der Rosner & Seidl-Stiftung 27 Edlinger-Bilder aus einer Privatsammlung erworben werden; 2020 kam eine weitere Schenkung hinzu, sodass das Museum nun – zusammen mit älteren Beständen – über insgesamt 67 Werke des Künstlers verfügt. Weitere Edlinger-Bilder befinden sich im Besitz der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und des Historischen Vereins von Oberbayern (hier nach seinen Gemälden angefertigte Stiche), doch noch immer versteckt sich ein Großteil der über 300 vermuteten Gemälde in Privatbesitz. Einige Edlinger-Porträts sind zudem Kriegsverlust, andere gelten als verschollen.
Der gebürtige Grazer Künstler (1741–1819), über dessen Jugend und erste Ausbildung, die er allem Anschein nach in Österreich erfuhr (1763 ist er an der Wiener Akademie nachzuweisen), wenig bekannt ist, kam wohl 1770 nach München, um sich hier dauerhaft niederzulassen. 1774 heiratete er die Münchner Musketierstochter Maria Anna Barbara Welser. Edlinger scheint sich bald einen Namen in der Münchner Gesellschaft gemacht zu haben. Für seine zahlreichen Kinder übernahmen angesehene Bürger sowie Prinzessin Maria Antonia, eine Schwester des bayerischen Kurfürsten und Witwe des sächsischen Kurfürsten, die Patenschaft.
Aufträge erhielt Edlinger aus allen Kreisen. Vermutlich im Winter 1780/81 saß ihm Kurfürstin Elisabeth Auguste von Pfalz-Bayern für ein repräsentatives Standesporträt Modell, was dem Künstler den Hofmaler-Titel einbrachte. Auch Elisabeth Augustes Ehemann, Kurfürst Karl Theodor, wurde von Edlinger gemalt. Neben der kurfürstlichen Familie begehrten nun auch Adelige ein Porträt von seiner Hand: Siegmund Ferdinand Graf von Haimhausen etwa oder die Grafen von Törring, von Preysing, von La Rosée und von Arco, jeweils mit Ehefrauen, sowie die ganze Familie von Maximilian Emanuel Graf von Rechberg-Rothenlöwen, einschließlich Ehefrau, sechs Söhnen, Kinderfrau und Erzieher – insgesamt zehn Porträts. Aber auch Benjamin Thompson Graf von Rumford, dessen Name heute in erster Linie mit der Anlage des Englischen Gartens in München und der Rumford-Suppe verknüpft ist, zählt zu den Porträtierten.
Vor allem in den 1780er und 1790er Jahren entstand – neben einer Reihe von Selbstporträts und Familienbildern – eine Fülle von Konterfeis Münchner Bürger, Beamter, Wissenschaftler und Künstler. Bürgermeister Michael Adam von Bergmann oder Anton Baumgartner, Polizeidirektor der Stadt, Johann Georg von Lori oder Franz Ignaz Oefele, Joseph von Utzschneider und sein Onkel Andreas André, Sekretär (und später heimlicher Ehemann) der Herzogin Maria Anna, Joseph Marius von Babo, Johann Jakob Dorner der Ältere, Franz Jakob Schwanthaler, Carl Cannabich, Roman Anton Boos, Johann Michael Mettenleiter, Joseph Ritter von Hazzi oder Lorenz Westenrieder, der Gastwirt Carl Franz Xaver Albert und der Cafetier Luigi Tambosi sind nur einige der porträtierten Persönlichkeiten, die belegen: Edlinger malte nahezu einen „Who’s who“ der Stadtgesellschaft jener Jahre. Und hinter den Porträts der „unbekannten“ Personen könnte sich durchaus noch der eine oder andere Prominente verstecken.
Der Münchner Verlagsbuchhändler Johann Baptist Strobl legte sich sogar eine ganze Edlinger-Galerie an, nicht zuletzt weil er eine Kupferstich-Serie „denkwürdiger Baiern“ plante. Die überwiegende Zahl der Blätter erschien jedoch nie offiziell. Strobl wurde zu Edlingers größtem Auftraggeber. Kehrseite der Medaille: Er drückte die Preise und Edlinger konnte es nie zu Reichtum bringen. Hinzu kam, dass namentlich die weibliche Kundschaft nach und nach seine um die Jahrhundertwende immer brauntöniger werdende Farbpalette und seinen schonungslosen Naturalismus nicht goutierte. Männer scheinen damit weniger Probleme gehabt zu haben. Sie ließen sich auch weiterhin von Edlinger malen. Interessant ist diesbezüglich die Beobachtung der Autorin, dass es sich zumeist um Personen handelte, die „von der Aufklärung geprägt und von der Französischen Revolution beeinflusst, sich für Neuerungen in ihren jeweiligen Fachgebieten einsetzten und gesellschaftspolitische Reformen befürworteten“ (S. 160).
1775 waren Johann Caspar Lavaters „Physiognomische Fragmente“ erschienen, die der Forderung nach ungeschönter Ähnlichkeit Bahn brach. Einige der Porträtierten standen nachweislich mit Lavater in Kontakt, Johann Michael Sailer oder Johann Georg Dillis besuchten den Philosophen sogar persönlich in der Schweiz.
Auch Edlinger hat sich mit einiger Sicherheit mit Lavaters Überlegungen befasst. Ihn interessierte die Physiognomie der Darzustellenden, „die er häufig mit geradezu provokantem Realismus wiedergab“. In diesem Sinne entstanden von seiner Hand zunehmend auch Gemälde von Angehörigen sozialer Randgruppen. Zum Teil stammten diese aus dem von Graf Rumford gegründeten Armeninstitut.
Johann Georg Edlinger starb am 15. September 1819 in München und wurde auf dem Alten Südlichen Friedhof beigesetzt.
Das große Verdienst der Autorin Brigitte Huber ist – neben der Einordnung der Bildkunst Edlingers in die Umbruchzeit zwischen spätem Rokoko und beginnendem Biedermeier – der vielschichtige Beitrag zur Münchner Stadtgeschichte. Akribisch und mit großer Sachkenntnis verfolgte sie nicht nur Vita und Werk des Künstlers, sondern auch die Lebensläufe der Dargestellten. Nach Personengruppen zusammengestellt – nicht chronologisch nach Entstehung der Bilder – legte die Historikerin nicht nur eine beachtliche Künstler-Monografie vor, sondern auch spannend zu lesende Münchner Familiengeschichten.
Aufgrund weiterer im Privatbesitz vermuteter unbekannter Bilder, von denen immer wieder eines im Kunsthandel auftaucht, war es nicht möglich, ein abschließendes Werkverzeichnis zu erstellen. Im Anhang findet sich jedoch ein Bestandskatalog der Edlinger-Werke im Stadtmuseum und in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus sowie der Grafiken nach Werken Edlingers in der Bildersammlung des Historischen Vereins von Oberbayern. Zum Schluss sei auch die qualitätvolle Aufmachung dieses äußerst lesenswerten Buches erwähnt, die durch ein umfangreiches Register abgerundet wird.
Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.