Gesten, Blicke, Satzfetzen, Dresscodes, Gesichter, Stimmungen – niemals war U-BahnFahren so
aufregend wie bei Tiny Stricker. Das Herumschlendern in der Hirschau oder am Nymphenburger
Kanal, das Kneipen- und Kinogehen auch nicht. Hat die Station Giselastraße etwas von einem
versunkenen Schiff oder einem verborgenen Tempel am Strand bei Korinth? Ist der
Eichendorffplatz wirklich nur langweilig? Kann die verblichene Kopie einer Besprechung im
Restaurantfenster zu Tränen rühren? München mit anderen, an der Antike und der Klassik
geschulten Augen. Besonders aufmerksam registriert Tiny Stricker interkulturelle Begegnungen:
»Vermutlich spricht sie noch wenig Deutsch, denke ich, verlässt sich auf die Sprache der Blicke, die
ihr aus ihrem Kulturkreis heraus gut vertraut ist …«. Auch Reisen mit der Freundin stehen an,
Weimar, Sarajevo und Split, die Chiemgauer Alpen. Der Autor wertet nicht, er schreibt auf, was er
sieht. Phänomenologisches Erzählen mit Sinn für Rhythmus und Klang. Verdichtete Prosa mit
lyrisch anmutenden Passagen, Präzision und Seele. Wer Tiny Stricker aus anderen Büchern kennt –
hier lernt er ihn neu kennen.
Diese Rezension wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom "Münchner Feuilleton".