Rezensionen
 

Renzessionen

Hintersinnig

Man nannte sie »Skandalgräfin«: Fanny Liane Wilhelmine Sophie Auguste Adrienne Gräfin zu
Reventlow. Ihr unabhängiges Leben als Schwabinger Bohémienne und alleinerziehende Mutter
stellte in den letzten Jahren mit unschöner Regelmäßigkeit die Schriftstellerin Reventlow in den
Hintergrund. Nun gilt es, sie endlich wieder zu lesen beziehungsweise zu hören. Und zwar jenseits
ihres bekanntesten Romans »Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem
merkwürdigen Stadtteil«. Der kleine Regensburger LohrBär Verlag hat dankenswerterweise elf feinund
hintersinnige Erzählungen und Dramolette u.a. von Eva Sixt, Bettina Schönenberg und Christin
Alexandrow einlesen lassen. Benedikt Dreher sorgt mit dem Fagott für die passenden musikalischen
Zwischenrufe. Gerade wurde die Produktion als einer von zehn Titeln mit der Auszeichnung
»Bayerns Beste Independent Bücher« prämiert. Da zieht einen die rätselhafte Geschichte »Der Herr
Fischötter« in Bann, in der das Element Wasser eine unheilvolle Rolle spielt. Da erzählt »Wir
Spione« von den zwischenmenschlichen Spannungen all jener Freigeister, die auf dem Monte Verità
Zuflucht suchen. Die »internationale Basis« bröckelt mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, man
unterstellt »spionistische Zwecke«. Und in der satirischen Künstlergeschichte »Christus« versucht
die Erzählerin dem bei Kunstmalern sehr beliebten Christus-Modell Friedrich »Fritze« Wilhelm
Köpke aus Berlin Pikantes aus der Kunstszene zu entlocken. Vergebens: Der Christus-Kopf – »eine
Mark für Kreuzigen« – gibt sich zugeknöpft.

Diese Rezension wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom "Münchner Feuilleton".

 Florian Welle

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Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise die Kulturzeitung „Münchner Feuilleton“ zur Verfügung gestellt.

Hintersinnig

litera bavarica ist eine Unternehmung der Histonauten und der Edition Luftschiffer (ein Imprint der edition tingeltangel)
in Zusammenarbeit mit Gerhard Willhalm (stadtgeschichte-muenchen.de)


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