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Weigand, Katharina (Hg.): Eine Reise durch Bayern.

Kann man, ganz bequem vom Wohnzimmersessel aus und somit ohne sich nur einen Meter zu Fuß, per Fahrrad, mit dem Auto oder mit dem Zug zu bewegen, eine überaus ansprechende, informative und bildungsreiche Reise zu Geschichte, Kunst und Kultur in ganz Bayern machen? Man kann! Man braucht nur den von Katharina Weigand herausgegebenen und soeben erschienenen Sammelband zur Hand zu nehmen und mit dessen Hilfe dreiundzwanzig Ausflüge an diverse Orte in allen Landesteilen und Regionen unternehmen, „an denen entweder erstaunliche historische Ereignisse stattfanden oder zukunftsweisende Entscheidungen ihren Anfang nahmen, an denen bedeutende Menschen wirkten oder an denen in besonderer Weise die Erinnerung an einzelne Zeitabschnitte der Geschichte Bayerns, gerade auch an die NS-Zeit, aufrechterhalten wird“ (Einleitung, S. 11). Und je nachdem, ob man in Scheyern gedanklich Station macht oder in Bayreuth, in Münnerstadt oder in Fürth, in Augsburg oder in Neuburg an der Donau, in Oberammergau oder in Flossenbürg, ob man den Ludwigskanal abschreitet, das Walchenseekraftwerk aufsucht oder auf dem Obersalzberg die steinernen Zeugen der Hybris der Nationalsozialisten in Augenschein nimmt, berücksichtigt werden sowohl alle Epochen vom frühen Mittelalter bis in unsere Tage hinein, als auch alle Themen: dynastische und politische Verflechtungen, macht- und wirtschaftspolitische Fragestellungen, konfessionelle Auseinandersetzungen, Aspekte der Kunst und Architektur.

Ausgangspunkt dieses „Reiseführers“ ist die von Prof. Hans-Michael Körner, bayerischer Landeshistoriker und langjähriger Ordinarius für die Didaktik der Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, im Sommersemester 2000 ins Leben gerufene „Bavaristische Ringvorlesung“, die über viele Jahre hinweg jeden Mittwochabend Hunderte von Zuhörern im stets voll besetzten Auditorium maximum besuchten. Grundgedanke war es, bayerische Geschichte auf höchstem wissenschaftlichen Niveau, aber dennoch allgemein verständlich, zu vermitteln.

„Reise durch Bayern“ lautete der Titel der letzten Ringvorlesungsstaffel, für die, wie bei allen Vorgängern, Prof. Körner und dessen langjährige Kollegin und Mitarbeiterin Dr. Katharina Weigand, Expertinnen und Experten gewinnen konnten, die nicht nur fachlich bestens Bescheid wissen, sondern auch einen persönlichen Bezug zum jeweiligen Thema haben. So befasst sich beispielsweise Michael Stephan, bis vor kurzem Leiter des Stadtarchivs München, mit dem Kloster Scheyern, das bereits im Zentrum seiner Dissertation stand, während sich Hermann Rumschöttel, aufgewachsen in Bad Reichenhall und dann langjähriger Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, und Hans-Michael Körner ihren Heimatstädten widmen, der Nördlinger Stadtarchivar Wilfried Sponsel der Frage nachgeht, was passierte, als die bis 1802/03 Freie Reichsstadt bayerisch wurde, der Direktor der Schwabenakademie Irsee, Markwart Herzog, der Geschichte seines Hauses nachspürt, Wilhelm Füßl, der Leiter des Archivs des Deutschen Museums und Biograph Oskar von Millers, das Walchenseekraftwerk vorstellt, oder der Archivar Peter Fleischmann, einer der besten Kenner Nürnbergs, fast etwas wehmütig der Dürerzeit nachtrauert.

Kurzum: Der Band bietet alles, was man sich von so einem umfassenden, bestens recherchierten, wissenschaftlich exakt begleiteten und auch gut lesbaren Werk verspricht: Einerseits unzählige nüchterne historische Daten und das dazu notwendige Hintergrundwissen, um das Gelesene auch richtig in einen gesamtbayerischen Zusammenhang einordnen zu können. Andererseits aber auch manche Erklärungen dafür, weshalb Land und Leute in Bayern mitunter doch eigene Wege gingen: So erläutert beispielsweise Johannes Lang überzeugend, warum die Berchtesgadener bis heute ein überaus ausgeprägtes fürstpropsteiliches Landesbewusstsein haben, und Tobias Appl erklärt, weshalb es im zutiefst niederbayerischen Ortenburg, altbayernweit völlig untypisch, noch heute gleich viele Katholiken wie Protestanten gibt. Katharina Weigand führt zudem anschaulich vor Augen, dass schon im späten 19. Jahrhundert „ausnehmend viele bayerische Minister und hohe Ministerialbeamte aus Unterfranken stammten, und so für einen integrationsfördernden Eliteaustausch sorgten“ (S. 309).

All diese Erkenntnisse sind längst nicht in jedem bayerischen Geschichtsbuch verbreitet. Umso mehr ist zu wünschen, dass sie mit dem vorliegenden Werk vermehrt wahrgenommen werden.

 Wolfgang Pledl

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Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.

Weigand, Katharina (Hg.): Eine Reise durch Bayern.

litera bavarica ist eine Unternehmung der Histonauten und der Edition Luftschiffer (ein Imprint der edition tingeltangel)
in Zusammenarbeit mit Gerhard Willhalm (stadtgeschichte-muenchen.de)


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