12.12.2020 | Klaus Hübner
»Die Unverhofften« erzählt die Geschichte eines bayerischen Familienclans über 120 Jahre hinweg,
von 1899 bis 2019. Die Romanhandlung beginnt in der damals noch recht armseligen Glashüttenund
Holzbauernwelt von Bayerisch Eisenstein, spielt größtenteils in Südbayern, oft mitten in
München, führt hinauf in die Höhen des christsozial abgesicherten Immobilien-Topmanagements
des 21. Jahrhunderts und kommt doch immer wieder zurück in die schönherben Wälder rund um
Arber und Rachel. Ein stattlicher Familien- und Gesellschaftsroman in Cinemascope. Gerade die in
Bayern aufgewachsene Leserschaft wird sich in den »Unverhofften« bald zu Hause fühlen. Der
1978 in Eggenfelden geborene Berliner Christoph Nußbaumeder erzählt packend und süffig, und so
folgt man seiner geschickt zwischen ruhigem Erzählfluss und oft heftigen Gesprächspartien
changierenden Geschichte gern. Leider sprechen die Figuren nicht immer so, wie es angebracht
wäre – »Kein Problem!«, sagte anno 1900 kein Mensch –, auch andere Fehler gibt es leider.
Dennoch ein beeindruckendes Prosawerk.
Diese Rezension wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom "Münchner Feuilleton".
Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Münchner Feuilleton zur Verfügung gestellt.
12.12.2020 | Klaus Hübner
Gesten, Blicke, Satzfetzen, Dresscodes, Gesichter, Stimmungen – niemals war U-BahnFahren so
aufregend wie bei Tiny Stricker. Das Herumschlendern in der Hirschau oder am Nymphenburger
Kanal, das Kneipen- und Kinogehen auch nicht. Hat die Station Giselastraße etwas von einem
versunkenen Schiff oder einem verborgenen Tempel am Strand bei Korinth? Ist der
Eichendorffplatz wirklich nur langweilig? Kann die verblichene Kopie einer Besprechung im
Restaurantfenster zu Tränen rühren? München mit anderen, an der Antike und der Klassik
geschulten Augen. Besonders aufmerksam registriert Tiny Stricker interkulturelle Begegnungen:
»Vermutlich spricht sie noch wenig Deutsch, denke ich, verlässt sich auf die Sprache der Blicke, die
ihr aus ihrem Kulturkreis heraus gut vertraut ist …«. Auch Reisen mit der Freundin stehen an,
Weimar, Sarajevo und Split, die Chiemgauer Alpen. Der Autor wertet nicht, er schreibt auf, was er
sieht. Phänomenologisches Erzählen mit Sinn für Rhythmus und Klang. Verdichtete Prosa mit
lyrisch anmutenden Passagen, Präzision und Seele. Wer Tiny Stricker aus anderen Büchern kennt –
hier lernt er ihn neu kennen.
Diese Rezension wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom "Münchner Feuilleton".
Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Münchner Feuilleton zur Verfügung gestellt.