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Renzessionen

Sehnsucht Starnberger See

Die Villa am See, das ist der Sehnsuchtsort schlechthin. Der Starnberger See ist in dieser Hinsicht geradezu ein Paradies. Katja Sebald hat den Villen ein Buch gewidmet.

Blaublütige und Bierbarone, ehrenwerte Künstler und windige Geschäftemacher, angesehene Münchner Kunstpäpste und protzende Fabrikanten aus dem Ruhrgebiet, weltgewandte Nobelpreisträger und miese Hochstapler, schwerreiche Rentiers und zu Geld und Ruhm gekommene Sportler ließen sich an den Gestaden des Starnberger Sees nieder. Ein buntes Völkchen, das da (mit dem entsprechenden »Kleingeld« in der Tasche) seinen Wohlstand zur Schau stellt. Die Autorin, die bereits mehrere Monografien über das Fünfseenland verfasst hat, stellt in diesem Prachtband mit ganzseitigen Farbfotos und einer Fülle weiterer Schwarz-Weiß- und Farbfotos 44 in erster Linie repräsentative historische Gebäude vor, die auch heutzutage zum größten Teil noch von den Nachfahren der einstigen Bauherren bewohnt und liebevoll gepflegt werden. Den Anfang, in idyllischen Refugien am und oberhalb des Starnberger Sees mit Blick auf die Wellen und auf das Gebirge zu residieren und den Sommer zu genießen, machte der bayerische Adel, gefolgt von den Plein-Air-Malern (wie etwa Max Joseph Wagenbauer) und später Moritz von Schwind oder Franz von Lenbach. Schließlich zog es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts das wohlhabende Münchner Großbürgertum an die Gestade zwischen Starnberg und Seeshaupt. Standesgemäß wohnen, lautete die Devise, weshalb die Architekten sich geradezu überboten (und die Bauherren die nötigen finanziellen Mittel dazu auch besaßen), Villen und Landhäuser zunächst im klassizistischen »Styl«, dann in luxuriöser Nachbildung oberbayerischer Bauernhäuser oder toskanischer Villen, schließlich am Ende des 19. Jahrhunderts als spätromantische Ritterburgen mit Erkern und Türmchen zu entwerfen. Nach zahlreichen Musikern und Literaten (wie Thomas Mann oder Waldemar Bonsels), Schauspielerinnen (wie Clara Ziegler), Filmstars (wie Hans Albers) und anderen Künstlern kamen auch hochrangige Nazibonzen, die sich ihre Traumhäuser nach ihren Vorstellungen errichten ließen. Die geschmackvolle Ausstattung der Salons und der Wohnräume in den altehrwürdigen Villen mit wertvollen Stilmöbeln, Teppichen und Gemälden sowie die Ausschmückung der Parks und Gärten mit üppigen Blumenrabatten und Brunnen hat Katja Sebald in ihrem Text bestens eingefangen. Dafür hat sie reichhaltiges Material in Archiven und Bibliotheken ausgewertet sowie Interviews mit zahlreichen Besitzern über die Geschichte der historischen Villen geführt. In kurzweiligen Essays porträtiert sie diese größtenteils unter Denkmalschutz stehenden feudalen Domizile samt dem denkwürdigen und des Öfteren auch schicksalhaften Leben in diesen geschichtsträchtigen Luxusimmobilien am Starnberger See mit ihren heutzutage schwindelerregenden Kaufpreisen.

Diese Rezension wurde uns freundlicherweise vom Münchner Feuilleton zur Verfügung gestellt.

 Hannes S. Macher

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Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise die Kulturzeitung „Münchner Feuilleton“ zur Verfügung gestellt.

Sehnsucht Starnberger See

litera bavarica ist eine Unternehmung der Histonauten und der Edition Luftschiffer (ein Imprint der edition tingeltangel)
in Zusammenarbeit mit Gerhard Willhalm (stadtgeschichte-muenchen.de)


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