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Wüst, Wolfgang (Hg.): Bacchus küsst Franken – Aspekte einer europäischen Weinlandschaft.

Prof. Dr. Wolfgang Wüst war von 2000 bis 2019 Lehrstuhlinhaber für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2019 ist er Vorsitzender der 1948 begründeten Fränkischen Arbeitsgemeinschaft e. V. Zusammen mit Marina Heller und Sabine Wüst, die ebenfalls in der Wissenschaftstradition der vorgenannten Universität stehen, richtet er unter dem klangvollen Titel „Bacchus küsst Franken“ den Blick auf die Wein- und Agrargeschichte in Franken, die im Frühmittelalter ihren Anfang nahm. Seit dem Hochmittelalter entwickelte sich – in Wechselwirkung mit dem sich ausbildenden Städtewesen – ein überregionaler Weinhandel, von dem auch die ansässigen Stifte und Klöster profitierten. Der Silvaner, der nachweislich seit 1659 angebaut und durch die Grafen von Castell und das Zisterzienserkloster Ebrach protegiert worden ist, erwuchs zur bedeutendsten Rebsorte Frankens.

Im Mittelpunkt der Publikation steht die Bedeutung des Weinbaus in der Frühen Neuzeit, vorrangig dargestellt am Beispiel der Benediktinerabteien Banz, Münsterschwarzach und St. Michael in Bamberg. Anhand historischer Quellen wie dem Rechnungs- und Notizbuch des Klosterkellers in Münsterschwarzach für die Jahre 1686 bis 1690 oder den seit 1580 erhaltenen Abrechnungen zur Haushaltsführung des Klosters Michelsberg wird aufgezeigt, dass eingelagerter Wein den „flüssigen Unterbau“ für die Geldwirtschaft der Klöster darstellte, eine konjunkturfördernde und krisenfeste Reserve. Auf diesen „trinkbaren Geldern“ gründete nach Wüst das noch nicht umfassend „erforschte und regional unterschiedlich gestaltete Portal geistlicher Staaten zur Moderne: das Banken- und Geldverleihgeschäft“ (S. 66). Die Michelsberger Klosterrechnungen eröffnen zugleich einen Einblick in die frühneuzeitliche Alltags- und Konsumgeschichte einer der ältesten fränkischen Abteien. „Sie stellen einen Schlüssel zu den Wirtschafts-, Bildungs- und Alltagswelten der Mönche und Menschen in der Region“ (S. 78) dar. Auch hier steht die wissenschaftliche Forschung noch am Anfang.

Der Beitrag „Weinkonsum und Weinhandel“ von Marina Heller bietet einen historischen Abriss zur Entwicklung des Weinbaus in Franken, der Vermarktung und des Exports des Produkts und verdeutlicht u. a. die Bedeutung der Reichsstadt Nürnberg als Förderer der Weinproduktion in Franken. Das vorgestellte Plassenburger Kellerverzeichnis von 1567 zeugt vom Konsumverhalten der fränkischen Markgrafschaft und weitet den regionalen Blickwinkel auf.

Die kulturhistorische Würdigung vinophiler Götter der Antike mit dem Weingott Bacchus als zentraler Figur sowie der Brückenschlag zu den fränkischen Weinheiligen stellen den Bezug zu Kunst, Religion und Kultur her. Der aus der griechischen Mythologie entstammende Gott Dionysos mit dem Beinamen Βάκχος (lat. Bacchus), der zum Hauptnamen erwuchs, hat nicht nur in der alteuropäischen Malerei und Bildhauerei eine vielgestaltige künstlerische Interpretation gefunden. Er wurde auch zum Namensgeber der 1933 in der Pfalz aus einer Kreuzung aus Riesling X Silvaner und Müller-Thurgau entstandenen Weißweinsorte, die im Steigerwald zu Füßen der Stollburg auf Deutschlands höchster Weinlage (zwischen 300 und über 420 m ü. NN) im Versuchsanbau getestet worden ist.

Die Edition der 1563 erstmals gedruckten „Kellermeisterey“ aus der Feder des in Eger, dem heutigen tschechischen Cheb, geborenen Paul(us) Schneider rundet die Publikation ab. Augenzwinkernd kündigt Wüst diese als „50 Tipps für Weinpanscher oder Geheimnisse aus einer Kellermeisterey“ an. Eine Auswahlbibliographie zum Wein und zur Weingeschichte bildet den Abschluss der Veröffentlichung.

Die vorgestellte Publikation stellt einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung des Wissens über die fränkische Weinkultur dar. Sie basiert auf der von Prof. Dr. Andreas Otto Weber und Jesko Graf zu Dohna 2012 herausgegebenen Publikation „Geschichte des fränkischen Weinbaus. Von den Anfängen bis 1800“ und zeigt den Forschungsbedarf auf, der hinsichtlich der Konsumgeschichte der fränkischen Stifte und Klöster in der Frühen Neuzeit besteht.

 Thomas Büttner

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Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.

Wüst, Wolfgang (Hg.): Bacchus küsst Franken – Aspekte einer europäischen Weinlandschaft.

litera bavarica ist eine Unternehmung der Histonauten und der Edition Luftschiffer (ein Imprint der edition tingeltangel)
in Zusammenarbeit mit Gerhard Willhalm (stadtgeschichte-muenchen.de)


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