16.07.2021 | Susanne Herleth-Krentz
Die Vereinigung der drei Flüsse Donau, Inn und Ilz zu einem großen Strom ist nur eine der Besonderheiten, die die Dreiflüssestadt Passau zu bieten hat. Schon vor vielen Jahrhunderten war die Stadt zudem ein bedeutendes Zentrum des Handels. Von der äußerst günstigen Stadtlage profitierten vor allem die Fürstbischöfe, deren Macht sich, wie der Reichtum der Kaufleute, in den prächtigen Bauten der Stadt widerspiegeln. Unter deren Einfluss entwickelte sich Passau zu einem Zentrum der Bildung, der Kunst und der Kultur. Italienische Barockbaumeister schufen im 17. Jahrhundert das glanzvolle Stadtbild mit seinen hohen Türmen, bunten Fassaden, romantischen Uferpromenaden und verwinkelten Gassen.
Obwohl es schier unmöglich ist, die Fülle an Persönlichkeiten aufzuzählen, die die Stadt Passau geprägt und geformt haben, hat die Theaterwissenschaftlerin und Journalistin Dr. Edith Rabenstein als versierte Kennerin der Passauer Kulturszene und Herausgeberin des Passauer Almanachs eine umfangreiche Datensammlung zur Passauer Stadtgeschichte angelegt. Erste Anregung hatte sie durch das Buch „Tausend Passauer“ des Heimatpflegers Franz Mader (gest. 2006) erhalten, das aber völlig anders konzipiert war. Aus dieser immensen Datenfülle fasst die Autorin beherzt 1000 Passauer Kunst- und Kulturschaffende vom Hochmittelalter bis zur unmittelbaren Gegenwart in der vorliegenden Publikation zusammen und ist sich dabei durchaus ihres großen Mutes zur Lücke bewusst.
Der stattliche Band erzählt mithilfe verschiedenster Biografien die äußerst facettenreiche Geschichte der Dreiflüssestadt. Der aufmerksame Leser findet wohlbekannte wie vergessene Persönlichkeiten in diesem Lexikon. Es werden selbst Gäste der Dreiflüssestadt, die klitzekleine oder große Spuren hinterlassen haben, aufgezählt. Das Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart weilte 1762 als Sechsjähriger mit seiner Familie in Passau und übernachtete in der Wirtschaft Zur Goldenen Sonne (heute Café Kowalski). Er spielte vor Fürstbischof Josef Maria Graf von Thun-Hohenstein und verdiente sich einen Golddukaten. Mehrfach in Passau logierte der Schriftsteller Adalbert Stifter. Sein Selbstbildnis hängt im Passauer Glasmuseum. Dieses Museum wurde 1985 vom niederbayerischen Selfmademan Georg Höltl gegründet, der als Busfahrer begann und als Unternehmer, Hotelier und Museumsgründer 2012 die Bürgermedaille der Stadt Passau erhielt. Der weniger bekannte Schriftsteller Thomas Bernhard (1931–1989) beschreibt in seinem Roman „Der Untergeher“ von 1983 seinen Besuch in der Dreiflüssestadt als Albtraum. Regisseur Wim Wenders (1973) und Modeschöpfer Karl Lagerfeld (2009) weilten als Fotografen in Passau. Erwähnung findet auch die Passauer Journalistin und Verlegerin Angelika Diekmann, die seit 1996 die Veranstaltungsreihe „Menschen in Europa“ (MiE) initiiert und mit dem Preis der Reihe, dem MiE-Award, jährlich namhafte Künstler und andere Persönlichkeiten nach Passau holt, wie 2012 die russisch-österreichische Opernsängerin Anna Netrebko.
Neben all den vielen Berühmtheiten aus Film, Musik und Theater werden die in Passau geborenen und hier wirkenden Künstler keineswegs vergessen. Die Schriftsteller Alfred Kubin und Hans Carossa hielten sich in der Stadt auf. Der in der ehemaligen DDR geborene Lyriker Reiner Kunze, dessen Bücher millionenfach verkauft wurden, lebt seit 1992 mit seiner Frau in Passau und gründete 2006 eine Stiftung. 1977 schufen Walter Landshuter und Edgar Liegl in der Milchgasse 2 das bekannte, anfangs verfemte Passauer Kleinkunst- und Kabarett-Theater im Scharfrichterhaus, auf dessen Bühne sich seither ein starkes politisches Kabarett trifft. Bruno Jonas, Sigi Zimmerschied, Rudolf Klaffenböck und Ottfried Fischer zählen zu dessen Abkömmlingen. Die begehrte Trophäe, das Passauer Scharfrichterbeil, gewannen unter anderem die Kabarettisten Andreas Giebel, Rolf Miller, Luise Kinseher, Bärbel Schmid, Torsten Sträter und Michael Altinger sowie der Komiker Hape Kerkeling.
Ebenso finden sich unter den vielen Lebensgeschichten die Preisträger des Kulturpreises der Stadt Passau für die Böhmerwäldler (2015 Maler und Bildhauer Rolf-Dieter Wührl), des Preises des Konzert-Vereins (2017 Domkantorin Brigitte Fruth) und der „Jungen-Kunst“ (2018 Malerin Barbara Muhr). Und zu guter Letzt findet sich beim Durchblättern der gebürtige Passauer Stefan Tilch, seit 2002 Theaterintendant des Landestheaters Niederbayern, der sich aktuell für die Sanierung des Landshuter Stadttheaters einsetzt.
Gegliedert ist das biografische Lexikon zur Passauer Stadtgeschichte in ein Vorwort, alphabetisch geordnete Kurzbiografien (S. 12–470) und einen Anhang, der mit ausführlichem Bildnachweis, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis diese gelungene Publikation beschließt, die für jeden an der Passauer Stadtgeschichte Interessierten eine wirklich lohnende Lektüre ist.
Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.