Autor | Seidl Helmut A. |
Verlag | Books on Demand (Selfpublishing) |
Seiten | 264 |
Gattung | Historisches Sachbuch |
Themenbereich | Gesellschaft |
Epoche | 1800–1900 |
Ort | München |
Regierungsbezirk | Oberbayern |
Suchbegriff | Zeitung, Inserate, Beleidigung, Mobbing, Hass, Hatecrime |
Buchart | Taschenbuch |
ISBN | EAN | 375261160X | 9783752611601 |
Erschienen | Januar 2020 (Norderstedt) |
eBook | Z000000122-20 14.99 € |
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Im Revolutionsjahr 1848 wurde in Bayern die Vorzensur der Presse aufgehoben, was die Neugründung vieler Zeitungen, insbesondere in der königlichen Haupt- und Residenzstadt München, zur Folge hatte. Jetzt konnten die Bürger in Kleinanzeigen auch vermehrt Ehrverletzungen sowie vermeintliche bzw. tatsächliche Missstände öffentlich anprangern. Überliefert haben sie damit zugleich einen hochinteressanten Einblick in ihr Alltagsleben. In dieser Publikation sind nun über 300 solch kernig-deftiger Schmähinserate vereint, hauptsächlich aus dem Massenblatt Neueste Nachrichten. Zu lesen ist dort etwa von einem Lalli im Schlafzimmer, einer Megäre mit Muskete oder einem Lästermaul in Schwabing. Es ist die Rede von Wahrheitsverdrehern, Wüterichen, Lustdirnen, Lüstlingen, Lümmelfürsten, moralischen Ungeheuern, ausgejagten Ehefrauen, ausschweifenden Frauenzimmern, langohrigen Quadrupeden, sonderbaren Heiligen, Ohrenbläsern, Generalgrobianen, Pflastertretern, Spitzbuben, Speichelleckern und Erzwüstlingen oder von niederträchtiger Verleumdung, teuflischer Bosheit, natterzünglicher Sippschaft bzw. einem Geträtsche giftschwangerer Charaktere. Gepfefferte Kritik richtete sich dabei nicht nur an Münchner, sondern auch an Leute aus dem oberbayerischen Umland, wie etwa den wackeren Waginger, die Wirtin von Ebenhausen, den Benefiziaten von Haag i. OB, die Ehestörerin von Erding, den Pfarrer von Weyarn oder den Posthalter von Tegernsee.
Zeitungsinserate sind für Blattnutzer noch heute ein gefundenes Lese-Fressen. Auch wenn sie auf das in der Anzeige gemachte Angebot nicht eingehen, also auf die „reich bestickte Lederhose, ca. 80 J. alt“ verzichten, regt sie ein solcher Text an, sich Geschichten zu dem angepriesenen Kleidungsstück auszudenken. In der Kürze steckt Würze. Steckt reichhaltiges Futter für die Fantasie. Besonders beliebt: Heirats- und Partnersuchinserate, aus denen sich im Kopf ganze Liebesabenteuer stricken lassen – Stoff fürs Stillen eigener Sehnsüchte oder für gute Ratschläge an die noch immer ledige große Schwester. Große Dramen ergeben sich da aus Kleinanzeigen.
Helmut A. Seidl, Augsburger Germanist mit volkskundlichem Interesse, Autor des leider vergriffenen Buches „Sprichwörtliches über Altbayern“, gefiel es, den Jahrgang 1848 des Münchner Massenblattes „Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik“ (Verlag: Karl Robert Schuricht) auf einen kleinen, jedoch erstaunlich ergiebigen Sektor dieser Tageszeitung zu untersuchen: Schmähinserate. Könnten Seidls Erfindung sein, sind aber NN-original.
Nachdem Bayerns Maximilian II. 1848 die Presse-Vorzensur aufgehoben hatte, durfte öffentlich drauflos geschimpft, gewütet, beschuldigt, Gift gespritzt, angeprangert und gelästert werden. In München und rundherum schien sich des Volkes Zorn bedenkenlos entzündet und entladen zu haben. Die Rede ist von Haderlumpenweibern und Hofschauspielerinnen, Zechprellern und Zahlungsverweigerern, Ehestörern und Ehrabschneidern, frevelhaften Handlungen an heiligen Orten, heuchlerischem Haberfeldtreiben. Lustig? Schon. Aber auch tragikomisch. Geschichten, die an Deftigkeit, Missgunst und teuflischer Hinterfotzigkeit nichts zu wünschen übrig lassen.
In den zitierten und teils abgebildeten Anzeigen kommt Verborgenes und Abgründiges in des Volkes Seele zum Vorschein, ohne Zensur, ungeschminkt. Rückhaltlos. Sittenbildhaftigkeit in schillernden Farben. Quer durch alle Stände und Berufe, der Klerus nicht ausgenommen. Häme und Spott. Turbulentes Volkstheater. Viel erklärt, erläutert und kommentiert Seidl. Kernige Gepflogenheiten des bayerischen Biedermeier und schöne alte Bildzugaben bereiten der Leserschaft Vergnügen. Geradezu unendliche Geschichten lassen sich aus den Anzeigen fabulieren – über Spitzbuben und Lüstlinge, bestechliche Ärzte oder verleumdete Kellnerinnen. Man greife zu. Um am unverfälschten Münchner Leben um die Mitte des 19. Jahrhunderts genussreich teilzunehmen. Gute Unterhaltung wünscht
Hans Gärtner
Hans Gärtner für litera-bavarica.de