Wie alles kam - Maar Paul
 

Publikationen

Wie alles kam

Roman meiner Kindheit

Autor Maar Paul
Verlag S. Fischer
Seiten 304
ISBN 3103970382
Bibliotheksbestand BV046833767 Bayerische Staatsbibliothek
ErschienenAugust 2020

22,00 € Bestellen im Buchhandel

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Der »Sams«-Erfinder Paul Maar erzählt den Roman seiner Kindheit

Paul Maar erinnert sich an den frühen Tod seiner Mutter, den viele Jahre im Krieg verschwundenen Vater, die neue Mutter, er erinnert sich an das Paradies bei den Großeltern und die unbarmherzige Strenge in den Wirtschaftswunderjahren. Paul Maars Erinnerungen sind zugleich Abenteuer- und Freundschaftsgeschichte, ein Vater-Sohn-Roman und eine Liebeserklärung an seine Frau Nele. Vor allem aber sind sie eine Feier der Lebensfreude, die er seinem Leben abtrotzen musste.

Paul Maar beschreibt in seinen bewegenden Erinnerungen das, womit er sich auskennt wie kein Zweiter: die innere Insel, auf die sich Kinder zurückziehen. Wer dieses Buch gelesen hat, weiß, warum Paul Maar das »Sams« erfinden musste.

  • Schwebende Fische
  • Große und kleine Pfützen
  • Der Schatten meines Vaters
  • Im Himmel
  • Nebenzimmerstil
  • Wellenkreise
  • Manche Hunde gehen nicht gern ins Wasser
  • Der Englische Gruß
  • Lesen und Reden
  • Der Mond, der sich um die Erde dreht
  • Herzunter
  • In der Fremde
  • Das harte und das weiche B
  • Die Angst, bis zuletzt übrigzubleiben
  • Einer soll es machen, nur für uns
  • Rhönsträsser und Vogelschüsser
  • Primavera
  • Auf dem Soziussitz
  • Wenn alle Tage ein Brief käme 

Rezension

Wie alles kam. Roman meiner Kindheit

Wenn ein international bekannter Kinder- und Jugendbuchautor wie Paul Maar mit achtzig Jahren seine Lebensgeschichte vorlegt und damit außerdem sein erstes Buch für Erwachsene, hat dies den angemessenen Widerhall in der Medienlandschaft. Dieses Echo fällt durchweg positiv aus. Mit seinen Kindheits- und Jugenderinnerungen in Unterfranken – in dem Dorf Obertheres und in Schweinfurt – beschreibt Paul Maar den Weg zu seinem Selbstverständnis als Künstler, verspannt in Beziehungen zu den Familienmitgliedern. Als roter Faden zieht sich das schwierige und gebrochene Verhältnis zu seinem Vater durch den Text – eine „Nachgetragene Liebe“ im Sinne des gleichnamigen Buches von Peter Härtling.

Was hier verhandelt werden soll, ist ein Einzelaspekt in Maars Buch, der für Volkskunde, Heimat- und Biografieforschung bedeutsam ist. Biografien, Romane und Erzählungen bayerischer Autorinnen und Autoren, die ihre Kindheit und Jugend im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land erlebt haben, sind nicht neu. Prominente Vertreter sind Ludwig Thoma, Lena Christ und Oskar Maria Graf – allesamt Autoren, die aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts berichten und aus Oberbayern stammen. Paul Maars Erinnerungen dagegen datieren vorwiegend aus den 1940er und 1950er Jahren und zwar aus fränkischer Perspektive.

Der Autor schreibt unaufgeregt und in kleinen Episoden, er spricht selber von „Pfützen der Erinnerung“, die sich ihm auftun; eine Metapher, die es wert wäre, in das Fachvokabular der Biografieforschung aufgenommen zu werden. Das von Maar beschriebene Dorfleben der letzten Kriegs- und frühen Nachkriegsjahre rollt sich auf aus der Perspektive eines Knaben, der bei den Großeltern in einer Gastwirtschaft lebt. Details, die aus Ortschroniken, Ego-Dokumenten von Zeitzeugen, aus Filmen oder von Besuchen im Freilandmuseum bekannt sind, hatten für ihn konkrete Funktionen in seinem Leben und dienen zugleich als Folien, vor der ein phantasiebegabter, kreativer Junge zu einem Künstler heranwächst. Die beschriebenen Orte, Dinge und Situationen fügt der Autor zu lebendigen Bildern zusammen: Die Wagen der Brauerei Hiernickel, das kleine Durchreichenfenster, an dem die Kinder das Bier für den Vater holten, die Schafkopfrunden im Wirtshaus, aus denen prototypische Dialoge wiedergegeben werden oder die begehrten Karfreitagsratschen, die im letzten Kriegsjahr eine neue Funktion erhielten: Mit ihnen simulierte der Volkssturm bei Übungen Maschinengewehrfeuer.

Maar führt seine Leserinnen und Leser in das zerbombte Schweinfurt der Nachkriegsjahre, zu den ersten Currywurstständen und seinen Ausbruchsversuchen aus der Enge des bürgerlichen Familienhaushalts, zu Bekanntschaften mit den „Rhönsträßlern“, die als asozial galten, und schließlich zum Befreiungsschlag einer Radreise zu Kunststätten Italiens.

Der Autor stellt die ihn umgebenden Dinge und Landschaften – sei es der in den 1950er Jahren noch wenig befahrene Main bei Obertheres oder sei es Italien – sowie seine Beziehungen zu Menschen in jedem Moment sachlich und schnörkellos dar. Er ordnet sie in seine Lebensgeschichte ein und gibt ihnen Sinn als prägende Elemente dessen, was ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er heute ist. Unterfränkisches Dorf- und Stadtleben fasst Paul Maar dabei in einen kunstvoll schlicht und stellenweise ergreifend gestalteten Text. Neben allen von den Feuilletons dargestellten Besonderheiten seiner Autobiographie bietet sie für sachvolkskundliche Arbeiten und für die Bewertung der Arbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bemerkenswerte neue Perspektiven.

 Birgit Speckle

Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.

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