Autor | Fromm Waldemar, Knedlik Manfred, Schellong Marcel |
Verlag | Verlag Friedrich Pustet |
Seiten | 450 |
Gattung | Historisches Sachbuch |
Themenbereich | Literatur |
Ort | München |
Regierungsbezirk | Oberbayern |
Suchbegriff | Literatur |
Buchart | Broschüre |
ISBN | EAN | 3791730401 | 9783791730400 |
Erschienen | März 2019 (Regensburg) |
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Dieser Band zeichnet den Weg der Münchner Autoren, ihre Netzwerke und das literarische Leben in der Stadt ebenso nach wie ihre literarische Darstellung vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Es wird nicht nur über die allseits bekannten „Stars“ berichtet, sondern auch über (fast) vergessene und übersehene, aber nicht minder wichtige Autorinnen und Autoren und ihre Verwurzelung in der Stadt. Münchens Vergangenheit ist übervoll mit Literatinnen, Literaten und Themen: Von Ulrich Fuetrer und Jacob Balde über Franz Graf Pocci, Paul Heyse und Thomas Mann bis zu Ulrike Draesner und Dagmar Nick zeigen die Beiträge namhafter Literaturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, wie München zu einer Weltstadt der Literatur wurde.
Dr. phil. Waldemar Fromm, geb. 1961, Akad. Direktor und seit 2010 Professor am Institut für Deutsche Philologie der LMU, ist Leiter der Arbeitsstelle für Literatur in Bayern.
Dr. phil. Manfred Knedlik, geb. 1961, ist freier Lektor, Autor und Lexikonredakteur; zahlreiche Buchveröffentlichungen zur bayerischen Literatur- und Kulturgeschichte.
Dr. phil. Marcel Schellong, geb. 1974, ist Referent für Studium und Lehre am Institut für Deutsche Philologie der LMU München.
Waldemar Fromm, Marcel Schellong, Manfred Knedlik
Vorwort
DAS AUSGEHENDE MITTELALTER
Klaus Wolf
Die Literatur Münchens im Spätmittelalter - ein Überblick
Klaus Wolf
Ulrich Fuetrer
Klaus Wolf
Johannes Hartlieb
Bettina Wagner
Der Ehrenbrief des Jakob Püterich von Reichertshausen
Michael Baldzuhn
Münchner Meistersinger
HUMANISMUS
Alois Schmid
Humanismus in München
J. Klaus Kipf
Dietrich von Plieningen und die humanistische Antikenübersetzung am Münchner Hof
Fabian Prechtl
Christoph Bruno
Fabian Prechtl
Hieronymus Ziegler
Wilfried Stroh
Protestantischer ,Stadtpoet1 in München: Martinus Balticus
Regina Toepfer
Simon Schaidenreisser
Manfred Knedlik
Literatur im Dienst der tridentinischen Erneuerung: Philipp Dobereiner
IM ZEITALTER DES BRROCK
Dieter Breuer
Literatur in der Zeit des Barock
Guillaume van Gemert
Aegidius Albertinus
Guillaume van Gemert
Jeremias Drexel
Wilfried Stroh
Jakob Balde als Münchner Dichter
Manfred Knedlik
Johannes Kimen
Manfred Knedlik
Geminianus Monacensis
Britta Kägler
Ein volksnaher, sprachgewaltiger Prediger: Wolfgang Rauscher SJ
Alois Schmid
Pädagoge, Philologe, Historiograph: P. Matthäus Rader
Helmut Gier
Jakob Bidermann
DRS ZEITALTER DER AUFKLÄRUNG
Wilhelm Haefs
Von bayerischen Patrioten, Aufklärern und Ketzern:
Literatur in Kurbayem und München im 18. Jahrhundert
Manfred Knedlik
Zeitschriften im frühen 18. Jahrhundert
Michael Schaich
Der Zuschauer in Baiern
Wilhelm Haefs
Lorenz Westenrieder
Reinhard Wittmann
Anton von Bucher
Manfred Knedlik
Zwei Münchner Verlagsbuchhändler als „Literaturmotoren“:
Johann Baptist Strobl und Joseph Alois Crätz
Laura Christine Ulrich
Die Belletristische Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1779-1786)
DAS KURZE LITERARISCHE 19. JAHRHUNDERT (1800-1885)
Waldemar Fromm
Themen und Netzwerke von der Romantik bis zum Münchner Dichterkreis
Miriam Käfer
Die Entwicklung literarischer Salons in München im 19. Jahrhundert
Konrad Feilchenfeldt
Clemens Brentanos Münchner Jahre
Stefan Jordan
Ein Humorist und Allround-Künstler am Münchner Königshof: Franz Graf Pocci
Walter Hettche
Die Krokodile
DIE MÜNCHNER MODERNE (1890-1914)
Waldemar Fromm
Themen und Netzwerke in Münchens literarischer Moderne - eine Einführung
Dirk Rose
Otto Julius Bierbaum und die Münchner Moderne
Manfred Mittermayer
Dichter, Sänger, Bürgerschreck: Frank Wedekind
Jan Stottmeister
Stefan George und die Kosmiker
Gertrud Maria Rösch
Ludwig Ganghofer, Josef Ruederer, Georg Queri
Gertrud Maria Rösch
Ludwig Thoma
Judith Kemp
„Genieanwärter“ unter sich: Künstlerkneipen und Künstlertheater als Treffpunkte der Münchner Moderne
Gerd Holzheimer
Eine gesalzene Form bayerischer Frauenliteratur: Lena Christ
Gabriele von Bassermann-Jordan
Thomas Mann und München
Kristina Kargt
Im „Brennesselgestrüpp der Sorgen“: Das Leben der Dramatikerin und Saloniere Elsa Bernstein
Ingvild Richardsen
Die moderne Frauenbewegung und der Münchner Schriftstellerinnen- Verein (1913-1933)
Gerd Holzheimer
Die „wilde Gräfin“ von Wahnmoching: Franziska zu Reventlow 336
Waldemar Fromm
Fleinrich Lautensack, der vergessene Dichter
DIE LITERATUR DER 1920ER-JRHRE
Waldemar Fromm
Unruhige Jahre 1914-1933 - eine Skizze
Laura Mokrohs
Die Schriftstellerund die Revolution 1918/19 in München: Emst Toller und Erich Mühsam
Ulrich Dittmann
Nur nicht ver-müchnern ... Oskar Maria Graf und die bayerische Hauptstadt
Jürgen Hillesheim
Episierende Boshaftigkeiten: Karl Valentin und Bert Brecht
Vera Bachmann
Die Hauptstadt der Provinz: München in Lion Feuchtwangers Roman Erfolg
Peter Czoik
München im Leben und Werk Hans Carossas
Magdalena Siebert
„Die eigentlich dumme Stadt“: Das Münchner Dichterbuch als Text-Raum für nationalistische Gesinnungen
LITERATUR IN DER ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS
Wolfgang Frühwald
Literatur in München 1933-1945
Elisabeth Tworek
Münchner Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil
Elisabeth Tworek
Die Familie Mann im Exil
Elisabeth Tworek
Fremde Heimat Oberbayem: Oskar Maria Graf 428
Elisabeth Tworek
Europäerin aus Überzeugung: Annette Kolb 433
Elisabeth Tworek
„Jüdin in bayrischer Landschaft“: Grete Weil
NACHKRIEGSJAHRE
Sven Hanuschek
Die amerikanischste Stadt Deutschlands? Die Nachkriegsjahre (1945-1960)
GEGENMÜNCHEN IM HEISSEN SOMMER
Marcel Schellong
„Alte Häusln“, „bittre Bert-Brecht-Kopien“ und „neue Formen der politischen Arbeit“: Zur Literatur Münchens in den 1960em und 1970crn
Clemens Pornschlegel
Miasmen der Unlust: „München“ in den Texten von Marie Luise Kaschnitz
Holger Pils
Zeugnis und Zeichen: Die Dichterin Dagmar Nick
Waldemar Fromm
Über die Macht der Geschichte: Die Satirikerin Gisela Elsner
Oliver Jahraus
Die kurzen Beine der Wahrheit: Der Jurist Herbert Rosendorfer als Erzähler
Lutz Hagestedt
„Wenn ich dich nicht denke, bist du nicht da.“ Über Emst Augustin
Sven Hanuschek
Uwe Timms Werk vom Systemwechsel bis zur Alltagsästhetik
Marcel Schellong
„der Widerspruch ist absolut“: Zum Gegenmünchner Paul Wühr
Michael Töteberg
,Rebellen4: Fassbinder, Kroetz, Sperr, Achtembusch
Laura Schütz
Der Theaterskandal an den Münchner Kammerspielen (1971)
DIE LITERATURSTADT MÜNCHEN ¥©N DEN i?S©ERN iXS ZUR GiüNWRRT
Klaus Bimstiel
Roxy Mjunik: Münchens popkultureller Untergrund und die Literatur der 1980er-Jahre
Marcel Schellong
Wege in die Gegenwart: Eine Annäherung an die aktuelle Literatur Münchens seit den 1990er-Jahren
Werner Jung
Gegenstände des Begehrens: Die Erzählerin Keto von Waberer
Hans-Riidiger Schwab
Postmodeme Stimmenvielfalt und ästhetische Selbstbehauptung: Hans Pleschinski
Marcel Schellong
„Ich würde doch vermutlich etwas Doppelsinniges ... Mehrdeutiges schreiben Patrick Süskind
Claude D. Conter
Helmut Krausser und der Mythos monacensis
Beat Mazenauer
Der poetologische Brennpunkt: Matthias Politycki in München
Oliver Jahraus
Münchner Spiele: Große und kleine Geschichte bei Ulrike Draesner
Daniela Rippl
Poetik für die Sinne: Lea Singer (alias Eva Gesine Baur)
Angela Eßer
Tatort München - oder die Münchner Krimisszene von den Anfängen bis heute im Schnelldurchlauf
Pia-Elisabeth Leuschner mit einer Ergänzung von Tobias Unterhuber zur gegenwärtigen Literaturszene in München
Lyrischer Reichtum der ,mittleren1 Generationen
Verzeichnis der Beiträgerinnen und Beiträger
Namensregister
Bildnachweis
Überblicksdarstellungen zu historischen, kulturgeschichtlichen, kunstgeschichtlichen oder gar literaturgeschichtlichen Themen zählen nicht zu den häufigsten Publikationsformen in der deutschsprachigen Wissenschaftswelt. Umso erfreulicher ist es, dass es den drei Herausgebern Waldemar Fromm, Manfred Knedlik und Marcel Schellong gelungen ist, eine Literaturgeschichte Münchens von den Anfängen der Stadtentwicklung im 13. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart vorzulegen. Eine stattliche Anzahl von 57 Autorinnen und Autoren hat in 81 Beiträgen die enorme Zeitspanne von fast 800 Jahren literarischer Produktion in und um München sichtbar werden lassen. Die überwiegende Anzahl der Beiträge ist auf einen Umfang von fünf bis sieben Seiten beschränkt, nur die Einleitungsdarstellungen zu den jeweiligen historischen und stilistischen Epochen sind etwas ausführlicher auf maximal zehn Seiten angelegt. Auf den ersten Blick also eine beeindruckende Leistung und zudem auch eine durchaus „leserfreundliche“; der Großteil der Beiträge ist durch die Beschränkung auf Kürze des Umfangs bei gleichzeitigem Bemühen um die Vermittlung von weitergehenden Informationen, bzw. durch archivalische Hinweise und die Angabe von Sekundärliteratur im meist ausführlichen Fußnotenteil am Ende der jeweiligen Artikel gekonnt konzipiert. Doch liegen in dieser Beschränkung Segen und Fluch dicht beieinander! Segen für den wissbegierigen Leser, der in angenehm zu bewältigenden Artikeln schnell einen ersten Eindruck von der Biographie, den literarischen Themen sowie der Sprache der Autorinnen und Autoren der Vergangenheit und Gegenwart erhält; Fluch insofern, als es am stilistischen und inhaltlichen Vermögen oder leider oftmals Unvermögen der Bearbeiterinnen und Bearbeiter liegt, ein Thema knapp, inhaltlich ausreichend und auch noch gut lesbar zu gestalten.
Im Vorwort weisen die Herausgeber darauf hin, dass es sich bei dem vorliegenden Werk um eine „Kleine Literaturgeschichte Münchens“ handelt (S. 15), der eine größere Darstellung, in der u. a. auch eine Geschichte des Münchner Buchhandels aufgenommen werden soll, folgen müsste. Nun dürfte jeder Leserin, jedem Leser, der sich im derzeitigen Wissenschaftsbetrieb und Verlagswesen auskennt, klar sein, dass diese Idee einer „Großen Münchner Literatur- und Verlagsgeschichte“ eine Hoffnung für eine ferne, momentan sogar allzu ferne Zukunft sein wird. Auch die Betonung der „kleinen“ Form der in München verfassten Literatur hat den Rezensenten etwas irritiert. Zählen für die Herausgeber etwa Thomas Mann, Lion Feuchtwanger oder Oskar Maria Graf – um nur einige Beispiele zu nennen – zu einer „Kleinen Literatur“? Sinnvoller wäre es gewesen, im Vorwort auf den ausnehmend weitgespannten Rahmen zu verweisen, den die Herausgeber unter dem Begriff „Literatur“ verstehen bzw. definieren. Denn gleich in den ersten Kapiteln der Literaturgeschichte, die das späte Mittelalter bis zur Renaissance darstellen, wird klar, dass neben Originaltexten auch Übersetzungen aus dem Lateinischen und Griechischen, Nachdichtungen nach antiken Vorbildern, Widmungsgedichte an hochgestellte Persönlichkeiten, zunftgebundene Singspruchdichtungen, Briefe, medizinische und okkultistische Schriften sowie religiöse Erbauungsliteratur, Heiligenviten und die bedeutenden, aber kaum textlich überlieferten Jesuitendramen zu zählen sind; insgesamt also ein Kaleidoskop von literarischen Ausdrucksformen, das den Leser in seiner liberalen Fülle etwas überrascht. Weitere „Überraschungsmomente“ haben v. a. die ersten Beiträge parat, in denen etliche sprachwissenschaftliche Fachausdrücke verwendet werden, die dem nicht linguistisch Vorgebildeten wohl nicht ohne weiteres bekannt sein dürften: Mantik (S. 25), Akrostichon (S. 31), „katechetische Texte“ (S. 37), „Periochen“, „Kasualdrucke“ (beide S. 109) oder gar „talking care“ (S. 342), um nur einige Bespiele aufzuzählen. Hier wäre ein Glossar am Ende des Bandes sehr wünschenswert gewesen. Hin und wieder erstaunen den Leser auch Neuschöpfungen von Worten wie z. B. „Leuchtgestalt“ und „Leuchtgestalten“ als Charakterisierung für die bedeutenden Autoren und Geschichtsschreiber der beginnenden Renaissance Matthäus Rader und Johannes Aventinus. Die Bezeichnung „Leuchtgestalt“ sagt nun wirklich nichts über die sprachliche, stilistische und gar wissenschaftliche Bedeutung der Autoren aus. Wie schwierig die Anfänge der „Literatur“ in München gewesen sein mögen, darf der Leser in den Beiträgen von Klaus Wolf über die Literatur des Spätmittelalters, über Ulrich Fueterer und Johannes Hartlieb (S. 21–39) leibhaftig durchleben. Vielleicht hätte der Hinweis auf das Fehlen einer eigenständigen Literatur in München für die ersten zwei Jahrhunderte seines Bestehens klärender und ehrlicher gewirkt, als das bemühte Zitieren von Klosterliteratur, die vielleicht in der Stadt hätte gelesen werden können. Hierbei sollte aber zu bedenken sein, dass in der Frühzeit des sich entwickelnden Marktorts „Munichen“, der aus Ackerbürgern und Händlern bestand, man wohl kaum vom Vorhandensein eines Lesepublikums ausgehen kann, ganz abgesehen von nicht vorhandener Alphabetisierung. Nicht uninteressant demgegenüber ist Michael Baldzuhns Beitrag über den Münchner Meistergesang (S. 48ff.) mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Singspruchdichtung des Bäckermeisters Konrad Harder und seines Schwiegersohns Albrecht Lesch für Hans Sachs während dessen Lehrjahren in München. Begrüßenswert wäre es auch hier gewesen, die stadtgeschichtlichen Forschungen des Archivars Helmuth Stahleder und vor allem das von ihm herausgegebene Erste Münchner Häuserbuch (2 Bde., München 2006) zurate zu ziehen. Manche anscheinend unlösbar erscheinenden Verwandtschafts- und Besitzstandsfragen ließen sich hier schnell und definitiv klären, ebenso wie die Lokalisierung des ersten Münchner „Literatenviertels“ zwischen Diener-, Altenhof- und Burgstraße. Bedauerlicherweise sind interdisziplinäre Forschungsansätze in den letzten Jahren in der akademischen Welt aber sehr aus der Mode gekommen. Gerade im Fall der rein bürgerlichen, nicht-höfischen Dichtung, eröffneten sich neue und ertragreiche Forschungsfelder. Dagegen stellen die Beiträge von Willibald Stroh über Martinus Balticus (ab S. 86) und Jakob Balde (ab S. 130) und von Guillaume van Gemert über Aegidius Albertinus (ab S. 117) und Jeremias Drexel (ab S. 123) die ideale Form der Darstellung von wenig bis unbekannten Autoren des 16. bis 17. Jahrhunderts dar. Beiden Bearbeitern merkt man an, dass sie „ihre“ Autoren in Werk, bzw. in Sprache und Stil, und Biographie bestens kennen und schätzen und daher glückt hier die Vermittlung an den Leser umso überzeugender, ja stilistisch geradezu animierender. Nur noch einmal fand der Rezensent einen qualitativ ähnlich, inhaltlich wie sprachlich hervorragend gestalteten Beitrag, und zwar in Wolfgang Frühwalds Einführungstext über die Literatur in München zwischen 1933 und 1945 (ab S. 401); eine insgesamt überzeugende Leistung, die sehr präzise das Leben von Literaten in der NS-Diktatur schildert und auf die hinterhältige Korrumpierung von Autoren durch das Regime aufmerksam macht. Die Verleihung von hohen offiziellen Ämtern im Kulturbetrieb an die wenigen Repräsentanten der Literatur vor 1933, die nicht das Land verlassen hatten oder konnten, ließ die betroffenen Autoren nach 1945 als Mittäter erscheinen, die diesen Makel nicht mehr beseitigen konnten.
Doch wieder zurück zur chronologischen Abfolge des Inhalts. Die Beiträge von Wilhelm Haefs über die Autoren der Aufklärungszeit (ab S. 169 und ab S. 190) sowie Manfred Knedlik über die Zeitschriften des frühen 18. Jahrhunderts (ab. S. 180) sind sehr informativ und versuchen einmal mehr, durch profunde Quellenkenntnis mit dem immer noch gerne tradierten Vorurteil aufzuräumen, dass die Aufklärungszeit im Kurfürstentum Bayern und in seiner Hauptstadt München eigentlich ohne Bedeutung gewesen sei, gemessen an den Leistungen der norddeutschen Aufklärer. Für den als „kurzes literarisches 19. Jahrhundert“ (S.217–258) bezeichneten Abschnitt der Literatur vor der Prinzregentenzeit sei auf die Beiträge von Waldemar Fromm (ab S. 217) über die Netzwerke der Münchner Dichterkreise und von Walter Hettche über die Dichtervereinigung „Die Krokodile“ (ab S. 249) hingewiesen. Die persönlichen Allianzen und Spannungen sowie die oktroyierte Förderung und Stilentscheidung durch König Max II. lassen die schwierige Situation der in München wirkenden Literaten deutlich werden. Nur der erste Literatur-Nobelpreisträger Paul Heyse ragte seinerzeit aus dem Kreis der Münchner Dichter hervor, was ihn jedoch – bald nach seinem Tod – nicht vor dem Abgleiten ins Vergessen bewahrte.
Münchens literarische Blütezeit ist auf die Jahre zwischen 1890 und 1914 beschränkt. Hier „leuchtete“ die Stadt, die mit Schwabing einen fest benennbaren Ort für schöpferische Äußerungen entstehen ließ. Neben Beiträgen, die inzwischen hinlänglich bekannte Schriftstellerinnen, Schriftsteller und Theaterdichter wie Frank Wedekind, Stefan George, Lena Christ, Thomas Mann und Franziska zu Reventlow würdigen, sei hier auf die Werk- und biographischen Darstellungen zu den heute vergessenen oder fast vergessenen Autorinnen und Autoren wie Otto Julius Bierbaum (Beitrag von Dirk Rose, ab S. 273), Elsa Bernstein (von Kristina Kargl, ab S. 323) und Heinrich Lautensack (von Waldemar Fromm, ab S. 341) hingewiesen. Dagegen sticht der etwas konfuse Beitrag von Gertrud Maria Rösch über Ludwig Thoma (ab S. 298) leicht irritierend ab; die Bearbeiterin umgeht Thomas letzte Lebensjahre während und nach dem Ersten Weltkrieg, die geprägt waren von einer sich politisch radikalisierenden Tendenz in seinen Zeitungsartikeln. Dieses Manko wird jedoch im darauffolgenden Beitrag von Waldemar Fromm über die „Unruhigen Jahre 1914–1933“ wieder wettgemacht. Eine insgesamt sehr gelungene Überblicksdarstellung, die auch Ludwig Thomas politisches Abgleiten thematisiert. Für die daran anschließende „Epoche“ der NS-Zeit bietet der bereits erwähnte Beitrag von Wolfgang Frühwald die lesenswerteste Darstellung.
Die Diversifizierung der literarischen Themen und Gattungen ab 1945/46 bis in die unmittelbare Gegenwart wird in den letzten drei Abschnitten des Buches dargestellt. Dem Rezensenten gefielen hier die Beiträge über Marie Luise Kaschnitz (von Clemens Pornschlegl, ab S. 476), über die Dichterin Dagmar Nick (von Holger Pils, ab S. 481) und über den Juristen und Romancier Herbert Rosendorfer (von Oliver Jahraus, ab S. 495). Für den letztgenannten Beitrag wäre allerdings eine genauere Recherche von Rosendorfers frühem Münchner Umfeld durchaus nützlich und klärend gewesen. Rosendorfer zählte zum Studenten- und Akademikerkreis um den in München lehrenden Medizinhistoriker Werner Leibbrand, einem erklärten Gegner des Nationalsozialismus und einzigen deutschen Gutachter bei den Nürnberger Ärzteprozessen. Leibbrand übte entscheidenden Einfluss auf Rosendorfers Sicht vom menschlichen Leben aus und prägte dessen Auffassung von Philosophie. Für den „Weg in die Gegenwart“ sei auf den Beitrag von Marcel Schellong über die aktuelle Literatur seit den 1990er Jahren (ab S. 534), auf Werner Jungs Beitrag über die „Erzählerin Keto von Waberer“ (ab S. 547) und auf Marcel Schellongs Würdigung des „Mehrdeutigen“ im Schreiben von Patrick Süskind (ab S. 556) verwiesen.
Die Publikation versammelt in der Tat eine überbordende Fülle von Namen und Informationen, die z. T. dazu anregt, sich selbst auf Entdeckungsreise durch die „Münchner Literatur“ zu begeben. Insgesamt also eine sehr respektable Überblicksdarstellung, die vielleicht einmal als Grundlage für ein noch umfassenderes Werk dienen kann und wird, selbst wenn es für den Leser hie und da Längen, Unsicherheiten und Verbesserungswürdiges zu bestehen gilt.
Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.