16.07.2021 | Annette Schäfer
Das im Juni 2019 eröffnete Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg – weithin sichtbar am Donaumarkt gelegen und von vieldiskutierter Architektur – zeigt die Geschichte des Staatsgebildes Bayern, mithin den jüngsten Ausschnitt daraus. Das passend dazu im Jahr 2018 doppelt gefeierte Jubiläum des 200. Geburtstages der Verfassung des Königreichs Bayern und des 100. Geburtstages des (bekannterweise durch den Ministerpräsidenten aus der USPD Kurt Eisner ausgerufenen) Freistaates Bayern markierte gewissermaßen die Frühphase der königlich-bayerischen Dahoamigkeit wie auch ihr Ende. Im neuen Museum stehen nun eben diese letzten 200 Jahre im Fokus und werden entsprechend beleuchtet. Doch die bayerische Geschichte reicht natürlich viel weiter zurück und umfasst nicht nur Königreich und Freistaat. Um diesem schon früh benannten Kritikpunkt der Museumskonzeption entgegenzutreten, waren in der Landesausstellung des Jahres 2019 nun „100 Heimatschätze“ zu sehen, die aus den rund 1200 nichtstaatlichen Museen des Landes zusammengetragen worden waren. Die Museen waren aufgerufen, besonders aussagekräftige und regionalspezifische Objekte in einen Wettbewerb zu stellen, aus dessen Ergebnissen die Ausstellung dann bestückt wurde. Begleitend dazu erschien ein Buch als Zusammenstellung der Exponate und Ergänzungsband zur Ausstellung. Es fasst also die Jahrtausende vor der im Museum ausführlich behandelten Zeit zusammen, wobei natürlich auch Objekte des 19. und 20. Jahrhunderts enthalten sind. Gegliedert ist das Buch nicht zeitlich, sondern – das ist seit Zeiten des Königreichs unerlässlich – nach Regierungsbezirken und darin alphabetisch nach Orten. Das ist zwar aus der Sicht des herausgebenden Finanz- und Heimatministeriums sinnvoll und übersichtlich, macht eine zeitliche Gesamtschau über das bayerische Staatsgebiet aber schwierig. Das älteste Objekt zu finden, eine Strengitstufe mit Phosphosideritkristallen aus Pleystein in der Oberpfalz mit einem geschätzten Alter von rund 300 Millionen Jahren oder den Eichstätter Archäopteryx mit stolzen 150 Millionen Jahren, wird so zu einer müßigen Blätterei im Buch. Nichtsdestotrotz ist das Blättern vermutlich gewünscht, denn nur so entdeckt man die vielfältigen und interessanten Stücke, die dieses Kompendium zu einer kleinen Schatzkiste machen. Es sind nicht die kostbaren, goldglänzenden Pretiosen, die die bayerische Geschichte prägen, sondern die alltäglichen Gegenstände, aus denen das Leben der Menschen spricht. Der Jahres- und Lebenslauf, Alltag und Feste, Religion, Arbeit und Freizeit finden sich hier im Ablauf der Jahrhunderte. Das reicht von einem Römerschatz aus Regensburg über die schriftlichen Aufzeichnungen der Gemeindehebamme von Marktbreit in Unterfranken aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis hin zu einem der aktuellsten Stücke, nämlich einer Brille, die aus dem verheerenden Hochwasser des Jahres 2013 in Deggendorf gefischt wurde. Das Ewige Licht bzw. „Ner Tamid“ aus der zerstörten Forchheimer Synagoge findet ebenso seinen Platz wie eine Laute des 16. Jahrhunderts aus Füssen, damals ein Zentrum des europäischen Zupfinstrumentenbaus, oder das erste Gipfelkreuz der Zugspitze in Garmisch-Partenkirchen.
Es sind zudem die großen Geschichten von bekannten bayerischen Persönlichkeiten, die in diesem Buch erzählt werden, wie diejenige von Kaspar Hauser, veranschaulicht anhand seiner Kleidung, die im Markgrafenmuseum Ansbach zu sehen ist. Aber auch an Personen von eher regionaler Bedeutung wird erinnert, wie etwa an den Müllner-Peter, den Selfmade-Universalgelehrten aus Sachrang, dessen handschriftliche Kompositionen an seinem Wohn- und Wirkensort aufbewahrt sind.
Alle im Buch vorgestellten Exponate sind jeweils auf zwei Seiten kompakt in Text und Bild beschrieben und aufgezeigt. Die Adresse des entsprechenden Museums ist stets vermerkt. Es würde sehr lange dauern, all diese spannenden Objekte, die in ganz Bayern verstreut sind, persönlich in Augenschein zu nehmen und ihre dazugehörigen Museen zu besuchen. Deshalb eignet sich das Buch „100 Heimatschätze“ vielleicht sogar als Reiseführer und Ideengeber, macht es doch Lust auf die 1200 nichtstaatlichen Museen in Bayern, die noch viel mehr zu zeigen haben, als im Wettbewerb ausgewählt. Schön wäre es, auch diejenigen „Heimatschätze“ noch kennenzulernen, die für den Wettbewerb zwar eingereicht, letztlich aber nicht ausgewählt wurden. Denn es geht nicht nur um bayerische Identität und Geschichte, sondern um die Vielfalt eines heterogenen Flächenstaates, ganz abseits von Jubiläen und Landesausstellungen.
Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.
16.07.2021 | Annette Schäfer
Max ist fünf Jahre alt und lebt mit seiner Oma Erna, dem Opa Alfred und seiner Schwester Kati in Stephanskirchen in der Nähe des Chiemsees. Mit zum Hausstand gehören der schwarz-weiße Kater Gerhard und eine Reihe von Hühnern, die nach europäischen Royals benannt sind (… dass der gehässige Hahn Donald heißt, ist nur ein Bonmot am Rande). Diese idyllische Lebensgemeinschaft ist der Rahmen für 25 Lausbubengeschichten, die die ehemalige Realschullehrerin Rosi Hagenreiner aus Amerang in ihrem Erstlingswerk „Max, zefix!“ veröffentlicht hat. Recht bullerbümäßig geht es da zu, wenn Max das Auto seines Opas rückwärts in den Keller fährt, auf Herrenchiemsee das Himmelbett von König Ludwig auf die Qualität der Matratze testet oder mit seiner etwas ungeliebten Patentante Hilde Bildungsausflüge machen muss. Die ganze Familie und auch die dörflich-heimelige Nachbarschaft scheinen mehr als tollpatschig zu sein, was zu zahlreichen kleinen und größeren Katastrophen führt: Da muss der Christbaum an die Wand genagelt werden, weil er an Heiligabend mehrfach umfällt, das Weihwasser in der Kirche muss dafür herhalten, Hühnerdreck vom Max abzuwaschen und zu guter Letzt werden Max und sein Opa von der neugierigen Nachbarin Frau Hupf beobachtet, wie sie ihren mehr als verunglückten Pfannkuchenteig verschwörerisch im Garten vergraben. Und die Nachbarin schickt die Fotos auch noch gnadenlos der krankheitshalber ans Sofa gefesselten Oma aufs Handy!
Ganz entzückend lesen sich Hagenreiners kurze, gutenachtgeschichtentaugliche Kapitel, in denen man sich irgendwo zwischen Ludwig Thoma und Astrid Lindgren wiederfindet. Als Inspirationsquelle diente der Autorin der fünfjährige Sohn ihrer Nichte. Und wenn man dem Nachwort glaubt, sind wohl nicht alle im Buch erzählten Geschichten wirklich erfunden. … Als moderner, erwachsener Leser ist man hin- und hergerissen zwischen einem Schmunzeln über die oberbayerische Dorfidylle und ihrer verschrobenen Belegschaft einerseits und einer hochgezogenen Augenbraue über das allzu malerisch-stereotypische Setting mit wunderlichen Tanten, Pfarrern in der Geisterbahn und grantelnden Kartlspezln vom Opa andererseits. Aber was soll’s, vielleicht braucht es auch mal wieder Geschichten, in denen trotz Kickboards und Smartphones die ach-so-gute alte Zeit durchscheint. Hervorragend geeignet ist das Buch daher für Vorlesestunden mit Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter, denn genau daraus sind sie entstanden. Eine Vorlesepatenschaft für Grundschüler ließ Rosi Hagenreiner die bereits geschriebenen Manuskripte aus der Schreibtischschublade hervorholen; auf Initiative ihrer Tochter, einer Lehrerin, folgte dann die Veröffentlichung im Volk Verlag. Ergänzt werden die Geschichten durch die detailreichen Graphiken von Daniela Grabner, in denen die Figuren und ihre Missgeschicke lebendig werden. Einfach nur lesen und lachen, das muss in Zeiten von Corona-Krise und Ausgangsbeschränkungen erlaubt sein.
Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.