Krieg und Frieden in München 1914-1939 - Holzem Andreas, Leugers Antonia
 

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Krieg und Frieden in München 1914-1939

Topografie eines Diskurses

Autor Holzem AndreasLeugers Antonia
Verlag Ferdinand Schöningh
Seiten 976
Gattung Historisches Sachbuch
Themenbereich Historisches
Ort München
Regierungsbezirk Oberbayern
Suchbegriff 1. Weltkrieg
ISBN | EAN 3506701568 | 9783506701565
Bibliotheksbestand BV047089519 Bayerische Staatsbibliothek
ErschienenMärz 2021

129,00 € Bestellen im Buchhandel

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1918, am Ende des Ersten Weltkriegs, fanden die Deutschen nicht in den Frieden zurück. Die »Schmach von Versailles« trug wesentlich zum Aufstieg Hitlers und zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 bei. Welche Rolle spielte die Religion, als der Krieg in den Köpfen und in der Öffentlichkeit weitertobte? Das Buch beantwortet diese Frage am Beispiel Münchens: Hochburg des Katholizismus, mit starken evangelischen und jüdischen Minderheiten, und gleichzeitig »Hauptstadt der NS-Bewegung«. Kinder lernten den Krieg schon in der ersten Klasse. Totengedenkfeiern griffen die ehemaligen Kriegsgegner erneut an. Denkmäler und Friedhöfe heroisierten den toten Kämpfer und schrieben sein Vermächtnis. Wahlplakate und Karikaturen schürten die Aggression. Der Pazifismus hatte einen schweren Stand gegen Patriotismus und politische Justiz. Die Presse spiegelte und schürte ‚Volkes Stimme‘.

           Vorwort

  1. Krieg und Frieden als Diskurs: Einleitung
    1.1 Die Fragestellung
    1.2 Der Stand des Wissens
    1.3 Das Beispiel München
    1.4 Die Wege zum Diskurs
    1.5 Die Quellen zum Diskurs
     
  2. Krieg und Frieden in München 1914-1918
    2.1 Krieg, Religion und Nation: Strukturen und Befindlichkeiten um 1914
    2.2 Sieg und Frieden: Die Sprache der Gesellschaft im Krieg
          2.2.1 Die Sprache des Krieges
          2.2.2 Keine Sprache des Friedens?
    2.3 Sittliche Tüchtigkeit und vaterländische Gesinnung: Die Erziehung zum Krieg .
          2.3.1 Die Schule
          2.3.2 Die Pfarrei
    2.4 Friedensappell und Menschheitsgedanke: Die Sprache der Abweichung im Krieg
          2.4.1 Die Friedenszirkel
          2.4.2 Der Klerus .
          2.4.3 Die Schule
     
  3. Choreografierte Gedenkveranstaltungen 1921
    3.1 Helden und Opfer: Das Vermächtnis der Gefallenen
    3.2 Dank des Vaterlandes: Der Trauer- und Opfertag
    3.3 Alle Völker wollen Frieden: Die Sozialistische Trauerkundgebung
    3.4 Sprache der Zeichen: Die Presse als Echo
          3.4.1 Die Symbol
    3.5 Choreografie als Macht: Hintergründe und Nachwirkungen
          3.5.1 Das Krisenjahr 1921
          3.5.2 Der Leibertag
          3.5.3 Das Königsbegräbnis
    3.6 Einmütigkeitsichtbar gemacht: Trauertage im Kontext
     
  4. Ikonografische Kriegsdenkmäler 1921-1937
    4.1 Platzierter Diskurs: Gotteshaus und Kriegsdenkmal
          4.1.1 Kriegsdenkmal und Diskurs
          4.1.2 Kriegsdenkmal und Kunst
    4.2 Siegeszuversicht
          4.2.1 Invictis vlctl victuri: St.Joseph Schwabing
          4.2.2 In hoc signovinces: St.Johann BaptistHaidhausen
          4.2.3 Durch Kampf / Zum Sieg: St. Ursula Schwabing
    4.3 Friedenshoffnung
          4.3.1 Friede, Auferstehung und Herrlichkeit: St. Rupert
          4.3.2 Maria Königin des Friedens
    4.4 Kriegspatronin St. Barbara
    4.5 Heldinnen und Märtyrer
          4.5.1 Berwähren die Frauen... christlichen Heldensinn: St. Maximilian
          4.5.2 Sie verdienten sich herrliche Kronen: St. Maximilian
    4.6 Gemeinsames Vaterland
          4.6.1 Bekenntnis zum deutschen Vaterland:NeuerIsraelitischer Friedhof
          4.6.2 Für das deutsche Vaterland: Hauptsynagoge
    4.7 Löwe und Germania (von Axel Töllner)
          4.7.1 Derruhende Löwe: evangelische Kirche St. Matthäus
          4.7.2 Die gefallene Germania: evangelische Kirche St. Markus
    4.8 Nationalsozialistische Denkmalpolitik
     
  5. Plakative Bildmedien 1919-1932
    5.1 Wahlplakat und Karikatur: Die Sprache der Bilder
    5.2 Parteienhader und Weltanschauungskampf:Wahlplakate 1919-1932
          5.2.1 Bayerische Volkspartei
          5.2.2 Sozialdemokratische Partei Deutschlands
          5.2.3 Kommunistische Partei Deutschlands
          5.2.4 NationalsozialistischePartei Deutschlands
          5.2.5 Konstruktion einer kriegsbedingten Wirklichkeit
    5.3 Liederlichkeit und Lächerlichkeit: Karikaturen 1926-1927
    5.4 Propaganda für den Krieg: Karikaturen 1933-1939
     
  6. Publikumswirksame Reden 1922
    6.1 Predigt oder Rede? Sprechen als Politik
    6.2 Rede statt Predigt: Revolution und Republik
    6.3 Botschaft und Resonanz: Kriegsniederlage als Friedenslast
          6.3.1 Die Friedensrede
          6.3.2 Das Echo der Zuhörenden
          6.3.3 Das Presseecho
          6.3.4 Bedrohungskommunikation
    6.4 Wahrer und falscher Friede: Hintergründe und Nachwirkungen
          6.4.1 Irritationen und Distanzierungen
          6.4.2 Ruhr-Krise und Hitler-Putsch
     
  7. Destruktive Kommunikation 1928-1932
    7.1 Öffentlichkeit und Gericht: Foren der Münchner Friedensbewegung
    7.2 Ächtung des Krieges: Der Friedensbund Deutscher Katholiken 1928-1930
          7.2.1 Die Reichstagung des Friedensbundes DeutscherKatholiken
          7.2.2 DerFriedensbund DeutscherKatholiken in den Printmedien
          7.2.3 DerFriedensbund DeutscherKatholiken und die Bischöfe
          7.2.4 Das Lehrerinnen-Treffen des FDK 1930
    7.3 Pazifismus, Feminismus und Katholizismus: München 1932
          7.3.1 Die Veranstaltung rtWeltabrüstung oder Weltuntergang“
          7.3.2 Die Gegenveranstaltung:Im „schweren Kampfe um Deutschlands Recht“
    7.4 Pazifismus und Feminismus: Nachhall der Presse
          7.4.1 Wenig Zustimmung - vielAblehnung: von Respekt und Würdelosigkeit
          7.4.2 RadikalisierteAblehnung: die Drohungen derNSDAP-Blätter
    7.5 Beleidigung, Tatsachenfälschung und „ideale Beweggründe“ vor Gericht
          7.5.1 Klage:„übleNachrede“ und„nationale Interessen“
          7.5.2 Widerhall:„Naziverleumdung“ und„Beleidigte Pazifistinnen“
          7.5.3 Revision: Strafminderung „in tiefster Sorge um das deutsche Volk“
    7.6 Pazifismus und destruktive Kommunikation: München 1933 und danach
          7.6.1 Geschwächte Menschen: Verfolgung und Exil
     
  8. Funktionale Begriffsgehäuse 1919-1934
    8.1 Niederlage, Ungerechtigkeit und Ehrverlust: das deutsche Versailles 1919
    8.2 Scheidemannfriede undWillen zur Tat: Reden überVersailles 1919
          8.2.1 Sozialdemokratie
          8.2.2 Politischer Katholizismus
          8.2.3 Links- undNationalliberalismus
          8.2.4 Die völkischen Gruppierungen
    8.3 Diktat der Sieger und Gleichschritt der Kolonnen: Die Presse 1929
          8.3.1 Nationalkonservatismus
          8.3.2 PolitischerKatholizismus
          8.3.3 Sozialdemokratie und radikale Linke
          8.3.4 Nationalsozialismus
    8.4 Kraft zum Leben gegen das Dokument des Unfriedens: Gleichschaltung 1934
    8.5 Wahrheit und Lüge: Deutsche Ideen über den Krieg 1914-1918
           8.5.1 Das BegriffsgehäuseVersailles“ 1919-1933
           8.5.2 DasAggressionsstimulansVersailles“ 1933-1939
     
  9. Individuelle Lebensgeschichten 1914/18-1939/45
    9.1 Macht und Ohnmacht: Abstrakte Diskurse und konkrete Menschen 1914-1945
    9.2 Die pazifistische Lehrerin: Marie Zehetmaier
          9.2.1 Marie Zehetmaierim Ersten Weltkrieg
          9.2.2 Die Münchner Friedensausstellung 1927
          9.2.3 Verfolgung undInternierung
    9.3 Der militaristische Priester:Josef Roth
          9.3.1 Vom Kriegsteilnehmerzum agitierenden Studenten
          9.3.2 Priester, Militarist, Nationalsozialist
          9.3.3 Karriere im ,Dritten Reich'
          9.3.4 DerNazi-Priester und die Hierarchie
          9.3.5 Unfalltod undNachrufe
    9.4 Die Pazifistin und der Militarist: An den Grenzen des Diskurses
     
  10. Zur Topografie desDiskurses über Krieg und Frieden
    10.1 Kriegsbeginn: München 1914 und 1939
    10.2 Kriegsdiskurs: Die Vernünftigen und die Anständigen
     
  11. Dokumente
    11.1 Verzeichnis der Dokumente
    11.2 Krieg und Frieden in München 1914-1918
    11.4 Ikonografische Kriegerdenkmäler 1921-1937
    11.5 Plakative Bildmedien 1919-1932
    11.6 Publikumswirksame Reden 1922
    11.7 Destruktive Kommunikation 1928-1932
    11.8 Funktionale Begriffsgehäuse 1919-1934
    11.9 Individuelle Lebensgeschichten 1914/18-1939/45
     
  12. Tabellen 
    12.1 Entwicklung der Katholikenzahl in den Pfarreien Münchens (nach Eingemeindung) 1918-1941
    12.2 Entwicklung der Religiösen Gemeinschaften 1918,1933,1939 in München
    12.3 Entwicklung der Religiösen Gemeinschaften in München 1918-1939 nach Niederlassungen und Mitgliedern
    12.4 Infrastruktur katholisches München 1915-1948
    12.5 Religiöse Gemeinschaften in München 1918,1933,1939
    12.6 Katholisches Vereinswesen Bayerns/Süddeutschlands mit Sitz in München 1918,1933,1939
    12.7 Katholische Einrichtungen und Vereine, tätig in München 1918,1933,1939
    12.8 Katholische Geistliche mit Bezug zu München und zum Nationalsozialismus
    12.9 Katholische Geistliche der Erzdiözese München und Freising, 1918/19 in Freikorpsverbänden

    Abkürzungen und Zeichen
    ​        Archive/Archivquellen, Parteien/Organisationen/Vereine, Allgemeines
            Zeitungen, Zeitschriften, Vereinsorgane

    Quellen und Literatur
           Ungedruckte Quellen
           Auskünfte
           Die von Axel Töllner benutzten Archivalien
           Gedruckte Quellen und Literatur

    Personenregister
    Bildnachweis 

Rezension

Holzem, Andreas – Leugers, Antonia: Krieg und Frieden in München 1914–1939

Ein mentales Phänomen, das für den Aufstieg des Nationalsozialismus, das Ende der ersten deutschen Demokratie und letztlich dann auch für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verantwortlich gemacht wird, ist die Tatsache, dass der Frieden nach dem Ersten Weltkrieg von einem wesentlichen Teil der deutschen Bevölkerung sogar bis hinein in die Sozialdemokratie nicht anerkannt wurde und ein mentaler Kriegszustand aufrechterhalten wurde. Der Tübinger katholische Kirchenhistoriker Andreas Holzem und die Erfurter katholische Kirchenhistorikerin Antonia Leugers, die den Löwenanteil der Forschungsleistung erbrachte, haben den Anteil katholischer Diskurse an diesem Phänomen untersucht. Dabei beschränken sie sich exemplarisch auf den katholischen Kriegsfriedensdiskurs in München, um eine möglichst dichte diskursive Beschreibung zu erhalten. München erscheint ihnen als geeignetes Untersuchungsobjekt, da es sich um eine überwiegend katholische Stadt handelt, die aber auch eine zentrale Rolle beim Aufstieg des Nationalsozialismus spielte. Sie vermuten in der Einleitung, dass in München über Krieg und Frieden „auf eine exemplarische, möglicherweise jedoch für das Gesamtklima Weimars nicht untypische Weise“ (S. 2) gesprochen worden sei. Eine Vermutung, die im Laufe der Arbeit leider nicht verifiziert oder falsifiziert wird, da der Untersuchungsraum an keiner Stelle verlassen wird.

Insgesamt sind die Autoren in ihrer Arbeit bemüht, nicht nur die Kriegs-, sondern auch die Friedensdiskurse zu Wort kommen zu lassen, um die Pluralität des Katholizismus in der Weimarer Republik darzustellen und deren Geschichte nicht als einen zwangsweisen Weg in den Untergang lesen zu müssen – eine derzeit moderne Perspektive, welche zwar endlich die positiven Leistungen der Weimarer Zeit auf politischem Gebiet zu würdigen in der Lage ist, von den historischen Fakten aber letztlich doch stets falsifiziert wird.

Die Autoren beginnen damit, homiletische und sonstige pastorale Diskurse zum Krieg während des Ersten Weltkriegs sowohl auf episkopaler als auch auf pfarrlicher Ebene zu untersuchen. Dabei stehen die opfertheologisch fundierten Aussagen weit über dem üblichen Niveau profan-historischer Auseinandersetzungen mit Kriegspredigten. Sodann werden konservative und sozialistische Kriegsgedenkveranstaltungen in der frühen Weimarer Republik miteinander kontrastiert. In einem weiteren Kapitel werden Kriegerdenkmäler als bisher kaum beachtete Elemente des Kriegsfriedensdiskurses vorgestellt. Auch einschlägige Bildmedien (Wahlplakate, Karikaturen) werden in die Untersuchung einbezogen. Den Hauptteil der Quellen aber bilden Texte. Den Darstellungsteil des Bandes beschließen dann die individuellen Lebensgeschichten der pazifistischen katholischen Lehrerin Marie Zehetmaier und des nationalsozialistischen katholischen Priesters Josef Roth, was etwas erratisch wirkt.

Nahezu die Hälfte des Bandes macht der Anhang aus: ein Dokumententeil, der fast alle wesentlichen analysierten Texte enthält; ein Tabellenanhang, der möglichst alle katholischen Einrichtungen Münchens statistisch zu erfassen sucht, aber in keinem Zusammenhang mit dem Darstellungsteil steht; nach dem Quellen- und Literaturverzeichnis folgt dankenswerterweise ein Personenregister.

Insgesamt gelingt den in dem sorgfältig redigierten und mit Abbildungen hervorragender Qualität ausgestatteten Band veröffentlichten Forschungen tatsächlich eine beeindruckend dichte Beschreibung der Kriegs- und Friedensdiskurse der Zwischenkriegszeit, was eben nur durch die Konzentration auf einen beschränkten geographischen Raum möglich war. Es konnte gezeigt werden, dass die dominanten katholischen Diskurse in ihrer Konzentration auf die Transzendenz und in ihrem patriotischen Geltungsstreben angesichts des Vorkriegstraumas katholischer Inferiorität dieses Phänomen noch verstärkten, wobei ihre Relevanz im Laufe des Untersuchungszeitraums abnahm.

Festgehalten werden muss allerdings, dass die Publikation mehr beschreibend als analysierend ist. Dazu passt es, dass eine der spannendsten Behauptungen der Arbeit, dass die umfassenden caritativen Angebote der katholischen Kirche den Kriegsfriedensdiskurs nicht pazifistisch transformierten, sondern den Krisendiskurs perpetuierten und damit den Kriegsdiskurs stabilisierten, in der Zusammenfassung kurz angeschnitten, ihr aber nicht mehr nachgegangen wird. Es ist zu hoffen, dass dieser Aspekt noch einer genauen Untersuchung unterworfen wird.

 

 Johann Kirchinger

Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.

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