Autor | Holzem Andreas, Leugers Antonia |
Verlag | Ferdinand Schöningh |
Seiten | 976 |
Gattung | Historisches Sachbuch |
Themenbereich | Historisches |
Ort | München |
Regierungsbezirk | Oberbayern |
Suchbegriff | 1. Weltkrieg |
ISBN | EAN | 3506701568 | 9783506701565 |
Bibliotheksbestand | BV047089519 |
Erschienen | März 2021 |
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1918, am Ende des Ersten Weltkriegs, fanden die Deutschen nicht in den Frieden zurück. Die »Schmach von Versailles« trug wesentlich zum Aufstieg Hitlers und zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 bei. Welche Rolle spielte die Religion, als der Krieg in den Köpfen und in der Öffentlichkeit weitertobte? Das Buch beantwortet diese Frage am Beispiel Münchens: Hochburg des Katholizismus, mit starken evangelischen und jüdischen Minderheiten, und gleichzeitig »Hauptstadt der NS-Bewegung«. Kinder lernten den Krieg schon in der ersten Klasse. Totengedenkfeiern griffen die ehemaligen Kriegsgegner erneut an. Denkmäler und Friedhöfe heroisierten den toten Kämpfer und schrieben sein Vermächtnis. Wahlplakate und Karikaturen schürten die Aggression. Der Pazifismus hatte einen schweren Stand gegen Patriotismus und politische Justiz. Die Presse spiegelte und schürte ‚Volkes Stimme‘.
Vorwort
Ein mentales Phänomen, das für den Aufstieg des Nationalsozialismus, das Ende der ersten deutschen Demokratie und letztlich dann auch für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verantwortlich gemacht wird, ist die Tatsache, dass der Frieden nach dem Ersten Weltkrieg von einem wesentlichen Teil der deutschen Bevölkerung sogar bis hinein in die Sozialdemokratie nicht anerkannt wurde und ein mentaler Kriegszustand aufrechterhalten wurde. Der Tübinger katholische Kirchenhistoriker Andreas Holzem und die Erfurter katholische Kirchenhistorikerin Antonia Leugers, die den Löwenanteil der Forschungsleistung erbrachte, haben den Anteil katholischer Diskurse an diesem Phänomen untersucht. Dabei beschränken sie sich exemplarisch auf den katholischen Kriegsfriedensdiskurs in München, um eine möglichst dichte diskursive Beschreibung zu erhalten. München erscheint ihnen als geeignetes Untersuchungsobjekt, da es sich um eine überwiegend katholische Stadt handelt, die aber auch eine zentrale Rolle beim Aufstieg des Nationalsozialismus spielte. Sie vermuten in der Einleitung, dass in München über Krieg und Frieden „auf eine exemplarische, möglicherweise jedoch für das Gesamtklima Weimars nicht untypische Weise“ (S. 2) gesprochen worden sei. Eine Vermutung, die im Laufe der Arbeit leider nicht verifiziert oder falsifiziert wird, da der Untersuchungsraum an keiner Stelle verlassen wird.
Insgesamt sind die Autoren in ihrer Arbeit bemüht, nicht nur die Kriegs-, sondern auch die Friedensdiskurse zu Wort kommen zu lassen, um die Pluralität des Katholizismus in der Weimarer Republik darzustellen und deren Geschichte nicht als einen zwangsweisen Weg in den Untergang lesen zu müssen – eine derzeit moderne Perspektive, welche zwar endlich die positiven Leistungen der Weimarer Zeit auf politischem Gebiet zu würdigen in der Lage ist, von den historischen Fakten aber letztlich doch stets falsifiziert wird.
Die Autoren beginnen damit, homiletische und sonstige pastorale Diskurse zum Krieg während des Ersten Weltkriegs sowohl auf episkopaler als auch auf pfarrlicher Ebene zu untersuchen. Dabei stehen die opfertheologisch fundierten Aussagen weit über dem üblichen Niveau profan-historischer Auseinandersetzungen mit Kriegspredigten. Sodann werden konservative und sozialistische Kriegsgedenkveranstaltungen in der frühen Weimarer Republik miteinander kontrastiert. In einem weiteren Kapitel werden Kriegerdenkmäler als bisher kaum beachtete Elemente des Kriegsfriedensdiskurses vorgestellt. Auch einschlägige Bildmedien (Wahlplakate, Karikaturen) werden in die Untersuchung einbezogen. Den Hauptteil der Quellen aber bilden Texte. Den Darstellungsteil des Bandes beschließen dann die individuellen Lebensgeschichten der pazifistischen katholischen Lehrerin Marie Zehetmaier und des nationalsozialistischen katholischen Priesters Josef Roth, was etwas erratisch wirkt.
Nahezu die Hälfte des Bandes macht der Anhang aus: ein Dokumententeil, der fast alle wesentlichen analysierten Texte enthält; ein Tabellenanhang, der möglichst alle katholischen Einrichtungen Münchens statistisch zu erfassen sucht, aber in keinem Zusammenhang mit dem Darstellungsteil steht; nach dem Quellen- und Literaturverzeichnis folgt dankenswerterweise ein Personenregister.
Insgesamt gelingt den in dem sorgfältig redigierten und mit Abbildungen hervorragender Qualität ausgestatteten Band veröffentlichten Forschungen tatsächlich eine beeindruckend dichte Beschreibung der Kriegs- und Friedensdiskurse der Zwischenkriegszeit, was eben nur durch die Konzentration auf einen beschränkten geographischen Raum möglich war. Es konnte gezeigt werden, dass die dominanten katholischen Diskurse in ihrer Konzentration auf die Transzendenz und in ihrem patriotischen Geltungsstreben angesichts des Vorkriegstraumas katholischer Inferiorität dieses Phänomen noch verstärkten, wobei ihre Relevanz im Laufe des Untersuchungszeitraums abnahm.
Festgehalten werden muss allerdings, dass die Publikation mehr beschreibend als analysierend ist. Dazu passt es, dass eine der spannendsten Behauptungen der Arbeit, dass die umfassenden caritativen Angebote der katholischen Kirche den Kriegsfriedensdiskurs nicht pazifistisch transformierten, sondern den Krisendiskurs perpetuierten und damit den Kriegsdiskurs stabilisierten, in der Zusammenfassung kurz angeschnitten, ihr aber nicht mehr nachgegangen wird. Es ist zu hoffen, dass dieser Aspekt noch einer genauen Untersuchung unterworfen wird.
Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.