Autor | Uhrig Sandra, Dering Florian |
Verlag | Münchner Stadtmuseum |
Seiten | 292 |
Suchbegriff | Münchner Kindl, Wappenfigur |
Buchart | Broschüre |
ISBN | 3934609007 |
Erschienen | 1999 |
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In seinem imaginären »München-Kurs« versucht das Münchner Stadtmuseum seit längerem, mittels einer Ausstellung und der dazugehörenden Publikation diese Stadt unter ganz verschiedenen Perspektiven zu betrachten und Bausteine zu liefern für ein Bild vom Aussehen und Wesen Münchens. Erinnert sei an dieser Stelle nur an Unternehmungen wie »Die Isar« (1983) oder »Das Oktoberfest« (1985).
Als unser Blick auf das allgegenwärtige Phänomen des Münchner Kindls fiel, schien ein besonders lukratives Problem die Lösung der Frage zu sein, wie denn ein Mönch im Wappen mutieren konnte zu einem geschlechtslosen Kindwesen, das höchstens mit den drohend auf die Fremden und alle Zugereisten gerichteten Folterinstrumenten Bierkrug, Rettich und. Weißwurst ein wenig vom ursprünglichen heraldischen Respekt bewahrt hat. Schwierig wurde der Fall, als wir darangingen, in den diversen Sammlungen und Archiven des Hauses nach Belegen zu forschen. So groß muss der Horror unserer auf Erhalt typischer Exponate bedachter Vorgänger gewesen sein, dass sie dem Phänomen einfach aus dem Weg gegangen sind. Florian Dering hat hier, und dafür sei ihm eigens gedankt, furchtlos den Weg in die »Vorhölle des schlechten Geschmacks« angetreten und einen ganz erstaunlichen Fundus zusammengetragen.
Das Münchner Kindl ist ein ziemlich altes Kind. Seine Hochzeit erlebte es um die Jahrhundertwende, also zu jener Zeit, in der ein anderes, bis heute attraktives Wahrzeichen entstand, nämlich das Glockenspiel. München hat sich hier, soviel Interpretation sei erlaubt, miniaturisierend, niedlich, ja puppig dargestellt. Und doch hat so mancher, wenn er nicht von hier war, das Symbol auch anders, viel abweisender verstehen können. Ein echter Münchner muss auch hier geboren sein, also ein »Münchner Kindl« sein, erwerben kann man dieses Recht, was in Berlin oder Wien anstandslos möglich ist, nachträglich nie mehr.
Das »Münchner Kindl« wurde - und das zeigt die Ausstellung - zu einer idealen Projektionsfigur, vorzüglich geeignet für eine unendliche Zahl zum Teil recht amüsanter, mehr oder weniger künstlerischer Umdeutungen. Eine perfekte Reklamefigur, die in manchem dem Erfolg heutiger Merchandisingprodukte und Maskottchen ähnelt, war das Münchner Kindl. Eine Wiederbelebung einstigen Ruhms scheint, aus verschiedenen Gründen, fraglich. Aber eine Ausstellung darf es doch sein?
Neben Florian Dering hat sich Sandra Uhrig dem Fall mit viel Geduld und großer Gewitztheit angenommen.
Der eingangs erwähnte Kurs in Sachen »München« ist hiermit natürlich noch lange nicht beendet.
Wolfgang Till