Rezensionen - Hans Gärtner
 

Renzensionen - Hans Gärtner

Wachs zwischen Himmel und Erde

 25.11.2020 |  Hans Gärtner

Ein dickes Buch ist es geworden, das Hans Hipp vorlegt. Sohn Benedikt gab keine Ruh, bis der Vater sein Vorhaben, über den einzigartigen Fundus der Pfaffenhofener Lebzelterei zu schreiben, verwirklichte. Ein Lebenswerk. Ein prachtvoll bebilderter, reich und klug und fleißig mit Quellen und einschlägiger volkskundlicher Literatur belegter Bild- und Text-Band. Über kunstvoll geschnitzte Holzmodel und die aus ihnen gegossenen wächsernen „Kultfiguren“ geht es hauptsächlich.

Eine Rarität ist das Buch wie das Handwerk, von dem es handelt. Anschaulich und einladend, sich darauf einzulassen, ein Handwerk, das es heute so wie ehedem nicht mehr gibt: das des Lebzelters. Eine gewöhnliche „Lebzelterei“, wie sie in manch größerer Stadt Altbayerns anzutreffen war, ist die von Pfaffenhofen an der Ilm nicht. Sie hebt sich heraus – durch ihre vor 400 Jahren begründete seltene Kontinuität, erst heuer mit neuem Leben im „Haus Hipp“ am Hauptplatz 6 der Kreisstadt Pfaffenhofen erfüllt. Wo es ein Konditorei-Café gibt mit Met-Ausschank. Mehr noch: einen „Branchenmix von Kuchen, Torten, Eis und Pralinen über hochwertige Schokoladenerzeugnisse“. Dazu ein „vielseitiges Honigzelten-Sortiment bis hin zu Kirchen- und Opferkerzen“. Dass die liturgischen Objekte zu den Süßigkeiten passen, erklärt sich für den 71-jährigen Hans Hipp „aus dem historischen Berufsbild eines Lebzelters“.

Ein Lebzelter hatte, nach strenger Regel, Lebzelten aus Bienenhonig zu bereiten und zu verkaufen, Met zu sieden und auszuschenken und Bienenwachs auszupressen und zu bleichen. Daraus ergab sich die Herstellung von Kerzen und „gegossenem Wachsbild“ als Votivgaben. Viele davon wurden – aus Dankbarkeit für vom Himmel erfahrene Hilfe und Rettung aus Not und Leid, aber auch als Bitte um Abwendung von Unbill jeglicher Art – in der Pfaffenhofen nahe gelegenen Wallfahrtsstätte Niederscheyern geopfert. Das geht für Hans Hipp aus den alten kirchlichen Aufzeichnungen in so genannte Mirakelbücher hervor. Zehn davon sind noch vorhanden. Das älteste wurde vor 385 Jahren begonnen. Der Benediktinerpater Franz Gressierer, Bibliothekar des Klosters Scheyern, war ein Glücksfall für Hipp: „Ich konnte Pater Franz von meiner Idee begeistern, die Bedeutung der Wachsvotive aus unserer Lebzelterei, über die jahrhundertealten Aufzeichnungen, direkt von den Votanten erklären zu lassen“.

Hipp vermutet, dass „weit mehr Wachsopfer gebracht“ wurden, „als sie in den Mirakelbüchern verzeichnet sind“ und dass sie von Pfaffenhofen stammen, von den Vorbesitzern der Wachszieherei Hans Hipp, die noch viele bis ins 17. Jahrhundert reichende Wachsmodel besitzt. In Pfaffenhofen wurden also die wächsernen Weihegaben gekauft und in der Kirche von Niederscheyern geopfert.“

Was bewog Hipp, eine im deutschsprachigen Raum einzigartige, über Jahre hinweg zustande gekommene umfassende Sammlung von Wachsvotiven aufzubauen? Er wollte „den Glauben, die Schönheit und die Vielfalt dieser `wächsernen Hilferufe` unserer Vorfahren … bewahren.“ Davon legt er in seinem großartigen Werk beredt Zeugnis ab. Dass es keine Selbst-Bespiegelung wurde, also nur den eigenen und Altbestand der Hipp`schen Votivgaben-Model und deren Abgüsse von Heiligen-, Menschen- und Tierfiguren, Leibern, Körperorganen, Köpfen, Häuschen, Fatschenkindern in bewundernswerten, zum Greifen nahen Fotos aufzuführen und zu beschreiben, sondern auch „kunstvoll gestochene Model aus anderen Lebzeltereien“ einzubeziehen, weitet den Pfaffenhofener Fundus auf den ganzen altbayerischen Raum aus. Hinzukommt ein Kapitel über Wachsstöcke und die wächsernen Eingerichte unter Glasstürzen der Firma Gebr. Weinkamer, Salzburg.

Mit besonderem Interesse geht der Leser wohl den „ganzfigürlich“ in Wachs gefertigten Votanten nach. Wer einmal in der ehemaligen Wallfahrtskirche Pürten, in Waldkraiburg eingemeindet, war, hat die reichen feschen Bauersleute ganz in Wachs bewundert, 160 cm bis 80 cm hoch, die Hände gefaltet alle drei, und in Festtagskleidung aus ihrer Zeit – Ende des 17. Jahrhunderts. Ähnliche, noch prächtigere wächserne lebensgroße Votivgaben gab es in Altötting, Tuntenhausen und Maria Einsiedeln. Die wohl schönsten ihrer Art und historisch verbürgten: die auf einem Kissen knienden, ebenfalls betenden Prinzen „Hieronymus“ und „Ignatius Wolfgangus“, die Bayerns Kurfürst Maximilian I. anfertigen ließ, nachdem Gott seine Bitte um Nachwuchs noch im Alter von 63 bzw. 65 Jahren erfüllte. Zu bewundern in der St. Bennokapelle der Münchner Frauenkirche. Solche „Weihestatuen“, die oft mit dem realen Körpergewicht und in physiognomischer Ähnlichkeit in Wachs moduliert wurden, repräsentierten die persönliche Hingabe eines Bittstellers an die himmlische Macht.

Nina Gockerell, die jahrelang die Volkskundeabteilung des Bayerischen Nationalmuseums leitete, fand für ihr schönes Vorwort einen für Hipp & Co passenden Ausspruch des schwäbischen Barockpredigers Abraham a Santa Clara. Er eröffnet den Hipp`schen Schatzbehalter, er soll diese Besprechung beenden: „Wax und Honig … das erste wird fast mehrentheils zu Gottes Ehr angewendet: das andere brauchen die Lettzeltner für Schlecker-Bissel des Menschlichen Appetits“. Ein solches „Schlecker-Bissel“ ist das ganz dicke Buch. Es erfreut Eingeweihte nicht weniger als es Einsteigern in die wundersame Materie des altbayerischen Votivbrauchtums einführt.

  Weiter zum Buch  Zum Beitrag

Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom zur Verfügung gestellt.

Schwindelköpfe, Schwätzer und Schmarotzer

 18.03.2021 |  Hans Gärtner für litera-bavarica.de

Zeitungsinserate sind für Blattnutzer noch heute ein gefundenes Lese-Fressen. Auch wenn sie auf das in der Anzeige gemachte Angebot nicht eingehen, also auf die „reich bestickte Lederhose, ca. 80 J. alt“ verzichten, regt sie ein solcher Text an, sich Geschichten zu dem angepriesenen Kleidungsstück auszudenken. In der Kürze steckt Würze. Steckt reichhaltiges Futter für die Fantasie. Besonders beliebt: Heirats- und Partnersuchinserate, aus denen sich im Kopf ganze Liebesabenteuer stricken lassen – Stoff fürs Stillen eigener Sehnsüchte oder für gute Ratschläge an die noch immer ledige große Schwester. Große Dramen ergeben sich da aus Kleinanzeigen.

Helmut A. Seidl, Augsburger Germanist mit volkskundlichem Interesse, Autor des leider vergriffenen Buches „Sprichwörtliches über Altbayern“, gefiel es,  den Jahrgang 1848 des Münchner Massenblattes „Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik“ (Verlag: Karl Robert Schuricht) auf einen kleinen, jedoch erstaunlich ergiebigen Sektor dieser Tageszeitung zu untersuchen: Schmähinserate. Könnten Seidls Erfindung sein, sind aber NN-original. 

Nachdem Bayerns Maximilian II. 1848 die Presse-Vorzensur aufgehoben hatte, durfte öffentlich drauflos geschimpft, gewütet, beschuldigt, Gift gespritzt, angeprangert und gelästert werden. In München und rundherum schien sich des Volkes Zorn bedenkenlos entzündet und entladen zu haben. Die Rede ist von Haderlumpenweibern und Hofschauspielerinnen, Zechprellern und Zahlungsverweigerern, Ehestörern und Ehrabschneidern, frevelhaften Handlungen an heiligen Orten, heuchlerischem Haberfeldtreiben. Lustig? Schon. Aber auch tragikomisch. Geschichten, die an Deftigkeit, Missgunst und teuflischer Hinterfotzigkeit nichts zu wünschen übrig lassen.

In den zitierten und teils abgebildeten Anzeigen kommt Verborgenes und Abgründiges in des Volkes Seele zum Vorschein, ohne Zensur, ungeschminkt. Rückhaltlos. Sittenbildhaftigkeit in schillernden Farben. Quer durch alle Stände und Berufe, der Klerus nicht ausgenommen. Häme und Spott. Turbulentes Volkstheater. Viel erklärt, erläutert und kommentiert Seidl.  Kernige Gepflogenheiten des bayerischen Biedermeier und schöne alte  Bildzugaben bereiten der Leserschaft Vergnügen. Geradezu unendliche Geschichten lassen sich aus den Anzeigen fabulieren – über Spitzbuben und Lüstlinge, bestechliche Ärzte oder verleumdete Kellnerinnen. Man greife zu. Um am unverfälschten Münchner Leben um die Mitte des 19. Jahrhunderts  genussreich teilzunehmen. Gute Unterhaltung wünscht

Hans Gärtner

  Weiter zum Buch

Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom litera bavarica zur Verfügung gestellt.

Krauß, Annette – Schwaiger, Thomas: Seelenspiegel Krippe. Die Osterrieder- und Jahreskrippe von St. …

 22.06.2022 |  Hans Gärtner

Das ist mal ein Buch, das mit manchen Gewohnheiten aufräumt. Schon allein damit, dass es nicht um eine Weihnachts-, sondern um eine Jahreskrippe geht. Die die Weihnachtskrippe nicht ausspart, aber den Fokus auf eine – freilich entsprechend ausgewählte – Szenenfolge des Heilsgeschehens lenkt, das ein ganzes Kirchenjahr umfasst. Von Mariä Verkündigung bis zum Zögerer unter Christi Aposteln, Thomas, der nicht glauben will, dass der Herr von den Toten auferstanden ist.

Das ist überdies ein Jahreskrippenbuch, das nicht bei Christi Geburt anfängt und mit der Osterfreude schließt, sondern durch seinen Anhang mit einer weiteren Krippenkonvention bricht: Es erinnert zusätzlich an die Geschichte der Kirchenpatronin Ursula – das ihr geweihte Gotteshaus im Münchner Stadtteil Schwabing ist der Schauplatz des Buches – , auch an die Legende des heiligen Franz von Assisi, der mit Freund Illuminatus vor den ägyptischen Sultan in Sachen Friedensverhandlung zieht, und auch an die kaum bekannte Geschichte des unter Hitler eingekerkerten evangelischen Pfarrers Dietrich Bonhoeffer.

Richtig: In diesem Buch geht es nicht nur um Katholisches. „Krippenfrau“ Annette Krauß, Münchner Kulturjournalistin, ist evangelisch. Sie ist es, die seit 2007 die unter Kennern berühmte „Osterrieder-Krippe“ mit ihren 43 originalen Figuren – zwischen 20 und 30 Zentimeter groß, unveränderbar, unbeweglich – nicht nur betreut, sondern beseelt, worauf schon der Buchtitel anspielt. Und die zusammen mit dem katholischen Priester Thomas Schwaiger dieses Druckwerk mit seinen außerordentlichen Texten und dazu passenden Farbfotos realisierte. Eine ökumenische Gemeinschaftsleistung – auch dies ein Kriterium für das Ungewöhnliche dieses Buches.

Zum Weihnachtsfest vor 99 Jahren überraschte der aus Abensberg stammende, in Schwabing beheimatet gewesene Bildhauer Sebastian Osterrieder mit seinen in St. Ursula aufgestellten Krippenszenen. Orientiert an seinen Erfahrungen auf einer Israel- und Ägyptenreise fertigte er Figuren, für die er Gips, Champagnerkreide, Fischleim und Wasser brauchte. Sie sollten ihn zum „Erneuerer der orientalischen Künstlerkrippe“ werden lassen. Annette Krauß ist seine langjährige Sachwalterin aus Passion. Sie erneuerte, ergänzte, erweiterte Osterrieders Szenen. Sie hauchte ihnen quasi neues Leben ein und hört nicht auf damit. Wie sie das ehrenamtlich tut, liest sich wie ein kleiner Roman, in dem so viel Dokumentarisches steckt. Und nicht zuletzt Pädagogisches.

Annette Krauß spricht die Kinder an. „Betrachtet die Szene“, fordert sie. Verlangt den Kindern durch geschickt gestellte 

szenenbezogene Fragen Wissen ab. Scheut nicht zurück vor schwierigen Situationen, wenn sie mit beweglichen Figuren der Jahreskrippe (gefertigt von einem unbekannten Schnitzer) die Themen „Jesus und die Ehebrecherin“ oder „Die Vertreibung der Händler aus dem Tempel“ aufgreift. Der Theologe Thomas Schwaiger formuliert poetisch, anspruchsvoll, überzeugend. Er lässt das aus den vier Evangelien Genommene und zu Lesende klingen. Seine Sprache hat Musik. Erklärt und erhärtet. Und fordert. „Es gibt leise Krippenszenen, die strahlen Stille aus. Und andere Szenen sind laut und unruhig“, schreibt er.

In diesem Krippenbuch wird Theater gespielt. „Krippenszenen sind angehaltenes Theater“, heißt es einmal. Was nicht bedeutet, dass die „Bewegung“ fehlen darf. Im Gegenteil: Sie ist nicht weniger wichtig als die Berührung. „Nur wer sich traut, die beweglichen Körper und Gliedmaßen der Figuren so zu biegen, dass sie einander nahekommen, nähert sich auch dem biblischen Text. Denn durch das Wort Gottes kommen wir mit Jesus in Berührung, der diese Geschichte [gemeint ist hier das Gleichnis vom verlorenen Sohn] erzählt. Die Krippenfiguren wollen uns das vor Augen stellen.“

Ein Buch zum lange darin Blättern, zum Sich-Vertiefen, zum Fragen-Stellen an das, was die kunstvollen Inszenierungen ausdrücken. Sie erinnern an die Oberammergauer Passion. Mit ihren „Lebenden Bildern“. Sie sind, wie das Krippenspiel für den Prediger Thomas Schwaiger, Verkündigung.

 

  Weiter zum Buch

Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.

Der Schrecken von Mühldorf

 16.05.2021 |  Hans Gärtner für litera-bavarica.de

Sie hätten tot sein können. Bei der Rückfahrt von Mühldorf nach Simbach stand ihr Zug unter heftigem Beschuss. Mutter und Sohn aus Josef Einwangers neuem Roman „Das Glaszimmer und ein Brief an den Führer“ haben überlebt. Sie waren von München aufs Land in die Nähe der „Hitlerstadt“ Braunau umgezogen. In ihrer Scheune verbirgt sich nun Felix‘ Vater, der an der Westfront gekämpft, diese aber heimlich verlassen hat, um zu Frau und Kind zu desertieren. Von der Ortsgruppenleitergattin, die nicht ahnt, dass der Soldat sich ganz in ihrer Nähe befindet, erfährt die Mutter, „dass es in Mühldorf noch Mehl und Zucker zu kaufen gebe … solange der Vorrat reiche“. Die Lebensmittelnot wächst. Also, auf nach Mühldorf! Mit dem Zug. „Gleich übermorgen. In der Frühe hin, am Nachmittag zurück“. Die Mutter fährt. Ihr Zehnjähriger begleitet sie.

Um 11.45 Uhr kommen sie am Bahnhof Mühldorf an. Den Stadtberg (bei Einwanger: die Bergstraße) müssen sie hinunter, zur Ausgabestelle in der Altstadt. Plötzlich: Fliegeralarm. „Stufe II“. Felix kennt sich aus. Sirenen jaulen auf. Chaos. Gerenne. Anweisung: „In den Schwaiger-Keller, gleich hier an der Straßenwende!“ Der alte Bierkeller füllt sich. „Der Bunker bebt. Die Leute zittern.“ So einen Bombenhagel hat man hier noch nie erlebt, seit der Hitler-Krieg wütet. Später weiß man, was es war: „ein verheerender tödlicher Angriff“.

Ein Wunder, dass Mutter und Sohn mit heiler Haut - wenn auch nach Strapazen sondergleichen und mit leeren Taschen - ihr Dorf erreichen. Sie überleben die Tieffliegerangriffe, stets die Angst im Nacken, den daheim versteckten Vater nicht mehr zu sehen. Nach drei Stunden nächtlichen Fußwegs wirft Felix sich auf die Matratze in seinem „Glaszimmer“, wo bunte Scherben von der Decke baumeln und magisch funkeln. Das Feuer von Mühldorf hat man, so ist am nächsten Tag zu erfahren, im Dorf gesehen und den Gestank der Rauchschwaden gerochen. Felix trifft seine Freunde und berichtet: „In Mühldorf haben die Amis mit fünfhundert Bombern angegriffen, ich war mit meiner Mama im Luftschutzkeller. Uns ist nichts passiert. Es gab viele Tote …“

Von hundertdreißig Toten in Mühldorf redet Einwangers Ortsgruppenleiter Feik: „Mit den Flying Fortress und Mustangs haben sie angegriffen“. Sie? Er meint die Amis. „Über sechstausend Bomben auf Bahnhof und Stadt. Unmenschlich. In Italien waren sie gestartet …“

Seinen kleinen Helden lässt Josef Einwanger zum Eierdieb bei den Feiks werden. Kehrte man doch ohne Mehl und Zucker aus Mühldorf zurück. Felix‘ Mutter entschuldigt sich für den Diebstahl ihres Buben bei der Nachbarin: „Ja, weil Krieg und Not. Auch Felix steckt noch der Schrecken von Mühldorf in den Knochen, in der Seele …“ Frau Feik hat ein Nachsehen. Sie bittet Felix nur: „Erschreck nicht wieder unsere Hühner!“

Josef Einwanger erweist sich in dieser Szene, dem schweren Bombardement auf Mühldorf am Josefitag des letzten Kriegsjahres 1945, als relativ gut informierter Verfasser. 250 B-17-Flying Fortresses flogen, so ist inzwischen gesichert, die Luftangriffe der Amerikaner, dazu 450 Mustangs und Lightnings. Die Stadt wurde von 6.000 Bomben getroffen. 3.500 davon trafen allein das Bahnhofsgelände. 2.000 Eisenbahnwaggons wurden zerstört, der Bahnhof selbst nahezu ganz. 129 Menschen starben.

Der 2020 verfilmte, lesenswerte Roman des in Niederbayern geborenen und in Kiefersfelden lebenden 86-jährigen Schriftstellers (dessen 2007 ebenfalls verfilmtes Buch „Toni Goldwascher“ noch in guter Erinnerung sein dürfte) verarbeitet das für Mühldorfs neuere Stadtgeschichte bedeutsame Kriegsereignis höchst überzeugend. Vor allem bei jungen Leserinnen und Lesern in der Region könnte sein Buch Diskussionsthema zum Leben und Überleben in der Nazizeit werden. Einwangers Lektor Hans-Jürgen van der Gieth veröffentlichte hierzu ein „Literaturprojekt“. Es erschließt Inhalt und Aussage des Romans. Einwangers spannender, humorvoll erzählter Text lässt die NS-Zeit in Bayern für Jugendliche ab der 6. Jahrgangsstufe in ganz besonderer Weise erlebbar werden. Die Gegend am unteren Inn, in der der Roman spielt, wird darin zum erlebnisnahen Schauplatz von Geschichte.

  Weiter zum Buch

Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom litera bavarica zur Verfügung gestellt.

litera bavarica ist eine Unternehmung der Histonauten und der Edition Luftschiffer (ein Imprint der edition tingeltangel)
in Zusammenarbeit mit Gerhard Willhalm (stadtgeschichte-muenchen.de)


© 2020 Gerhard Willhalm, inc. All rights reserved.