Rezensionen - Thomas Büttner
 

Renzensionen - Thomas Büttner

Frei, Hans – Stettmayer, Fritz: Bedeutsame Kulturlandschaften in Bayerisch Schwaben

 22.06.2022 |  Thomas Büttner

„Ich lieb so sehr das Schwabenland, dass nie die Lust zur Arbeit schwand.“ Diesem Motto folgte Prof. Dr. Hans Frei in den zurückliegenden drei Jahren beim Verfassen des Buches „Bedeutsame Kulturlandschaften in Bayerisch Schwaben“. Er ist ein profunder Kenner Schwabens und war viele Jahre als Bezirksheimatpfleger, Universitätsdozent für Kulturgeographie und als Direktor des Museums Oberschönenfeld tätig. Sein Anliegen ist es, mit dem vorliegenden Werk zur Wertschätzung und Erhaltung der schwäbischen Kulturlandschaften und des sich hierin vereinenden natürlichen und kulturellen Erbes beizutragen.

Bayern besitzt einen reichen Schatz an Kulturlandschaften, die die Einmaligkeit und Vielfalt unseres Kulturstaates ausmachen, wie z. B. historische Weinbergslandschaften am Main oder im Taubertal, die Flößereilandschaft im Frankenwald, Streusiedlungslandschaften im Alpenvorland, Kloster- und Wallfahrtslandschaften wie sie etwa im Stiftland und in Bayerisch-Schwaben zu finden sind. Nicht zu vergessen die traditionellen Erholungslandschaften an den großen Seen, man denke an das Blaue Land zwischen Murnau und Kochel.

Gemeinsam ist solchen gewachsenen Kulturlandschaften, dass sie geprägt sind durch typische Landschaftselemente, die Ausdruck der Landnutzung und des gestaltenden Wirkens vergangener Generationen sind. Sie sind ebenso wichtige Zeugnisse unserer Geschichte wie die Bau- und Kunstdenkmäler im Land.

Kulturlandschaften machen Regionen unverwechselbar, sie prägen Heimat und vermitteln Heimatgefühl und tragen zur lokalen und regionalen Identität bei. Darüber hinaus können sie in erheblichem Maße für den Tourismus wichtig sein. Als „weiche Standortfaktoren“ haben sie zunehmend auch ökonomische Bedeutung für die Attraktivität des Landes als Wohn- und Wirtschaftsraum.

Aufgrund des fortschreitenden Landschaftswandels verloren in den letzten Jahrzehnten die bayerischen Kulturlandschaften jedoch ganz erheblich an historischer Substanz. Jeden Tag geht Typisches und Unverwechselbares der Heimat unwiederbringlich verloren, häufig aus Unwissenheit.

Viele positive Beispiele zeigen jedoch, dass es möglich ist, die Landschaft unter Wahrung der Bezüge markanter Elemente zeitgerecht zu entwickeln. Dies gelingt besonders dort, wo der Dreiklang von Naturvorgabe, Kulturlandschaftsgenese und der Stempelabdruck menschlichen Wirkens in Gestalt von Kulturdenkmälern und historischen Kulturlandschaftselementen in ihrer Wechselwirkung abgebildet werden.

Bereits von 2011 bis 2013 hatte das Bayerische Landesamt für Umwelt vertiefend zu der flächendeckend vorliegenden kulturlandschaftlichen Gliederung Bayerns zusammen mit der TU München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf im Rahmen eines Vorhabens, das dem Biodiversitätsgedanken verschrieben war, 112 bedeutsame Kulturlandschaften in Bayern ermittelt und beschrieben. Deren historisch gewachsenes Erscheinungsbild, das bis heute in weiten Teilen Bestand hat, wurde in knapper Form in Steckbriefen dargelegt (s. https://www.lfu.bayern.de/ natur/kulturlandschaft/bedeutsam/index.htm).

Im Regierungsbezirk Schwaben befinden sich 18 dieser bedeutsamen Kulturlandschaften, die in dem Buch von Hans Frei und Fritz Stettmayer nun detaillierter vorgestellt werden, hinterlegt mit umfassenden Literaturangaben. Sie reichen vom Nördlinger Ries über die Klosterlandschaft Oberschönenfeld, den Augsburger Stadtwald, das Ecknachtal zwischen Tödtenried und Klingen (verfasst von Michael Ritter), über Ottobeuren und sein Umland, die Erholungslandschaft Bad Wörishofen, das Bodenseegebiet um Oberreitnau und Bodolz bis hin zur Allgäuer Bergregion.

Die zahlreichen Aufnahmen, die Fritz Stettmayer als Fotograf zu dieser Publikation beitrug, untermalen farbenprächtig und eindrucksvoll die zum überwiegenden Teil von Hans Frei verfassten textlichen Ausführungen.

Im Kapitel über Kulturlandschaften im Spannungsfeld zwischen Erhaltung und Veränderung kommt Hans Frei zum Schluss: Es gilt „die breite Öffentlichkeit über den Stellenwert der Kulturlandschaft zu informieren und die verantwortlichen Fachbehörden für eine Berücksichtigung in den Planungsstufen zu motivieren. Die lebensnahe Erfahrung [zeigt], dass man nur schätzt und schützt, was man kennt.“

Entscheidend sind das Sehen, Lesen, Verstehen und Vermitteln von landschaftlichen Besonderheiten, die auch „nicht so auffällige und wenig spektakuläre Eigenschaften“ einschließen, und das Begreifen des meist schleichenden Landschaftswandels, dessen Auswirkungen erst in einer kritischen Retroperspektive gewahr werden, wie Thomas Schneider in einem Kapitel der Publikation eingehend ausführt. Die Bewusstseinsbildung für die Werte der Kulturlandschaft muss über alle Bevölkerungskreise hinweg ansetzen, ehrenamtliches Engagement wecken und insbesondere auch im Bildungswesen und in der Wissenschaft, nicht zuletzt bei politischen Entscheidungsträgern wieder stärker Fuß fassen.

Auch das in dem Buch in einem Beitrag von Markus Hilpert vorgestellte Projekt „Erfassung, Dokumentation und Präsentation von Elementen der historischen Kulturlandschaft im Landkreis Augsburg“, das in den Jahren 2018 bis 2020 als LEADER-Kooperationsprojekt durchgeführt wurde, folgte diesem Ansatz. Über 600 Kulturlandschaftselemente wurden im Rahmen des Vorhabens erhoben und können eine wertvolle Informationsgrundlage für raumrelevante Planungen liefern. Sie werden zugleich in der unter der Obhut des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege stehenden Kulturlandschaftsdatenbank (www.kulturlandschaftsforum-bayern.de) eingebunden, die Teil der digitalen Ehrenamtsplattform „Kulturlandschaftsforum Bayern“ ist , deren Ausbau durch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen gefördert wird (Heimat-Digital-Regional-Förderrichtlinie – HDRFöR) und der Bevölkerung, Heimatvereinen sowie Bildungseinrichtungen als Informationsbörse und Netzwerk dienen soll.

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Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.

Wüst, Wolfgang (Hg.): Bacchus küsst Franken – Aspekte einer europäischen Weinlandschaft.

 22.06.2022 |  Thomas Büttner

Prof. Dr. Wolfgang Wüst war von 2000 bis 2019 Lehrstuhlinhaber für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2019 ist er Vorsitzender der 1948 begründeten Fränkischen Arbeitsgemeinschaft e. V. Zusammen mit Marina Heller und Sabine Wüst, die ebenfalls in der Wissenschaftstradition der vorgenannten Universität stehen, richtet er unter dem klangvollen Titel „Bacchus küsst Franken“ den Blick auf die Wein- und Agrargeschichte in Franken, die im Frühmittelalter ihren Anfang nahm. Seit dem Hochmittelalter entwickelte sich – in Wechselwirkung mit dem sich ausbildenden Städtewesen – ein überregionaler Weinhandel, von dem auch die ansässigen Stifte und Klöster profitierten. Der Silvaner, der nachweislich seit 1659 angebaut und durch die Grafen von Castell und das Zisterzienserkloster Ebrach protegiert worden ist, erwuchs zur bedeutendsten Rebsorte Frankens.

Im Mittelpunkt der Publikation steht die Bedeutung des Weinbaus in der Frühen Neuzeit, vorrangig dargestellt am Beispiel der Benediktinerabteien Banz, Münsterschwarzach und St. Michael in Bamberg. Anhand historischer Quellen wie dem Rechnungs- und Notizbuch des Klosterkellers in Münsterschwarzach für die Jahre 1686 bis 1690 oder den seit 1580 erhaltenen Abrechnungen zur Haushaltsführung des Klosters Michelsberg wird aufgezeigt, dass eingelagerter Wein den „flüssigen Unterbau“ für die Geldwirtschaft der Klöster darstellte, eine konjunkturfördernde und krisenfeste Reserve. Auf diesen „trinkbaren Geldern“ gründete nach Wüst das noch nicht umfassend „erforschte und regional unterschiedlich gestaltete Portal geistlicher Staaten zur Moderne: das Banken- und Geldverleihgeschäft“ (S. 66). Die Michelsberger Klosterrechnungen eröffnen zugleich einen Einblick in die frühneuzeitliche Alltags- und Konsumgeschichte einer der ältesten fränkischen Abteien. „Sie stellen einen Schlüssel zu den Wirtschafts-, Bildungs- und Alltagswelten der Mönche und Menschen in der Region“ (S. 78) dar. Auch hier steht die wissenschaftliche Forschung noch am Anfang.

Der Beitrag „Weinkonsum und Weinhandel“ von Marina Heller bietet einen historischen Abriss zur Entwicklung des Weinbaus in Franken, der Vermarktung und des Exports des Produkts und verdeutlicht u. a. die Bedeutung der Reichsstadt Nürnberg als Förderer der Weinproduktion in Franken. Das vorgestellte Plassenburger Kellerverzeichnis von 1567 zeugt vom Konsumverhalten der fränkischen Markgrafschaft und weitet den regionalen Blickwinkel auf.

Die kulturhistorische Würdigung vinophiler Götter der Antike mit dem Weingott Bacchus als zentraler Figur sowie der Brückenschlag zu den fränkischen Weinheiligen stellen den Bezug zu Kunst, Religion und Kultur her. Der aus der griechischen Mythologie entstammende Gott Dionysos mit dem Beinamen Βάκχος (lat. Bacchus), der zum Hauptnamen erwuchs, hat nicht nur in der alteuropäischen Malerei und Bildhauerei eine vielgestaltige künstlerische Interpretation gefunden. Er wurde auch zum Namensgeber der 1933 in der Pfalz aus einer Kreuzung aus Riesling X Silvaner und Müller-Thurgau entstandenen Weißweinsorte, die im Steigerwald zu Füßen der Stollburg auf Deutschlands höchster Weinlage (zwischen 300 und über 420 m ü. NN) im Versuchsanbau getestet worden ist.

Die Edition der 1563 erstmals gedruckten „Kellermeisterey“ aus der Feder des in Eger, dem heutigen tschechischen Cheb, geborenen Paul(us) Schneider rundet die Publikation ab. Augenzwinkernd kündigt Wüst diese als „50 Tipps für Weinpanscher oder Geheimnisse aus einer Kellermeisterey“ an. Eine Auswahlbibliographie zum Wein und zur Weingeschichte bildet den Abschluss der Veröffentlichung.

Die vorgestellte Publikation stellt einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung des Wissens über die fränkische Weinkultur dar. Sie basiert auf der von Prof. Dr. Andreas Otto Weber und Jesko Graf zu Dohna 2012 herausgegebenen Publikation „Geschichte des fränkischen Weinbaus. Von den Anfängen bis 1800“ und zeigt den Forschungsbedarf auf, der hinsichtlich der Konsumgeschichte der fränkischen Stifte und Klöster in der Frühen Neuzeit besteht.

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Diese Buchbesprechung hat uns freundlicherweise vom Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.

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