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Die Funktionsweisen der NS-Herrschaft in den Städten und Gemeinden werden durch die Finanzströme der öffentlichen Haushalte deutlich.
Das braune München schrieb schwarze Zahlen. Doch was verbarg sich hinter den Jahresbilanzen einer Großstadt im »Dritten Reich«? In seiner Pionierstudie zur kommunalen Finanzpolitik in der NS-Zeit entschlüsselt Paul-Moritz Rabe die Zahlenkolonnen der städtischen Haushaltspläne und erzählt die Geschichten, die sich hinter ihnen verbergen. So zeigt er, wo und wie die Lokalverwaltung Geld ausgab, um dem Anspruch als »Hauptstadt der Bewegung« nachzukommen. Er erklärt, über welche Wege die Stadt Finanzressourcen mobilisierte und den Krieg mitfinanzierte, entwirrt den Filz der Zuwendungen an die nationalsozialistische Klientel und entdeckt in der Steuer- und Gebührenvollstreckung sowie der Führung eines »Judenkontos« bislang unbekannte Felder der Verfolgungsgeschichte.
Deutlich wird: Städtische Haushaltspolitik war kein ideologiefreies Verwaltungshandeln. Die Etatplanung war vielmehr Ausdruck einer sich nach nationalsozialistischen Vorstellungen wandelnden Stadtgesellschaft und zugleich ein zentrales Instrument, um diese Transformation voranzutreiben.
Ausgezeichnet mit dem Friedrich Lütge-Preis 2017 der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
Einleitung
Untersuchungsfelder und Aufbau der Arbeit
Forschungsbezüge und Leitfragen
Quellenlage
- Entzifferung der Zahlen. Vier städtische Haushalte im Vergleich
1. Der Haushaltsplan als Gegenstand historischer Analysen
Der Haushalt als Indikator fü r die Finanzlage
Der Haushalt als Abbild politischer Entwicklungen
Planungshorizonte der Haushaltspolitik
Rhetorik des Haushalts
Systematik der Buchhaltung
2. Der Krisenhaushalt 1932: Weltwirtschaft, Reichspolitik und Stadtfinanzen
Der Zwangsabgleich
Genese der Finanznot: Steuerreform, Leistungsexpansion, Wirtschaftskrise, Notverordnungspolitik
Tektonik des Krisenhaushalts
Bankrotterklärung aus Kalkül
3. Der inszenierte Haushalt 1935: Konsolidierung als Ende der Krisenrhetorik
»Aufitieg« und »Zusammenarbeit«: die Symbolik der Zahlen
Konsolidierung auf niedrigem Niveau
Die >Entdeckung< des Vermögensnachweises
4. Der Aufrüstungshaushalt 1939: die Ordnung der Finanzen für den Krieg
Die neue Ordnung des Haushalts
Die Reformen des gemeindlichen Steuersystems
Eine »Atempause zur Ordnung der Finanzen«?
5. Der Kriegshaushalt 1943: Kalkulation des Unkalkulierbaren
Die Finanzlage im Krieg: erstaunlich stabil?
Kriegsaufgaben und Kriegsausgaben
Der Haushalt der unerfüllten Bedürfnisse
Wirren des Kriegs und Stabilität der konstruierten Zahlen
>Planlos< bis zum Kriegsende
- Herren des Geldes.
Die Akteure der kommunalen Finanzpolitik
1. Die städtischen Finanzbehörden: Organisationsstrukturen und Aufgabenfelder
Die Stadtkämmerei
Die Stadthauptkasse
Das Rechnungsamt III
Das Stadtsteueramt
Das Einziehungsamt
Das Renten- und Hinterlegungsamt
2. Die städtische Finanzelite: »unpolitisch«, unersetzlich, anpassungsfähig
Stadtkämmerer Andreas Pfeiffer
Die Kontinuität des inneren Kreises
Karrierewege im »Dritten Reich«
Unpolitische Beamte?
3. Innerstädtische Entscheidungswege: Aushandeln, Anordnen und die stille Macht der Expertise
Die Stadträte zwischen Entscheiden, Beraten und Abnicken
Karl Fiehler: Gemeindefuhrer, Bürokrat und Vermittlungsfigur
Die Referenten und der Kämmerer: Finanzpolitik als Expertendiskurs
4. Städtische Finanzpolitik im NS-Staat: Konflikte, Kooperation und Klüngel
Stadtverwaltung und Landesbehörden
Die Stadt und das Reich
Der Deutsche Gemeindetag
Finanzpolitik und die Akteure neuen Typs
- Kampf ums Geld.
Modi städtischer Einnahmepolitik
1. Feilschen und Verhandeln: der Finanzausgleich als Verteilungskonflikt
Der Finanzausgleich als historisches Untersuchungsfeld 194 — Die Entwicklung des Finanzausgleichs in der NS-Zeit
Verhandlungsstrategien
2. Erheben und Vollstrecken: städtische Steuer- und Gebührenpolitik Versprechen und Wirklichkeit der Steuerermäßigungen
Neue Geldquellen: Filial- und Warenhaussteuer, Fremdenverkehrsabgabe, Eingemeindungen
Einziehungspraxis als kommunales Handlungsfeld: Fördern, Fordern, Verfolgen
3. Aufnehmen und Anlegen: Grenzen und Möglichkeiten städtischer Kreditpolitik
Ein nicht ausschlagbares Angebot?
Schuldenkonsolidierung unter neuen Vorzeichen
Handlungsspielräume der Kreditaufnahme
Rücklagenbildung als Ressourcenmobilisierung fürs Reich
4. Enteignen und Profitieren: die fiskalische Dimension der städtischen V erfolgungspolitik
Die Judenverfolgung als Raubzug
Das »Judenkonto« der Stadthauptkasse
Gold für das Reich, Silber für die Stadt
»Grundstücksarisierungen«
- Dem Willen des Führers Rechnung tragen.
Akzente der städtischen Ausgabenpolitik
1. Die Ausgabenstruktur zwischen Kontinuität und Wandel
Auftragsverwaltung und »freie Spitze«
Systemkonforme Prioritätensetzung
2. Teure Geschenke: die kommunale Ehebeigabe »Mein Kampf«
Wer bestellt, der muss nicht zahlen
Selbstverpflichtung, Prestige und Propaganda
Auftragsverwaltung unter neuen Vorzeichen
3. Die braunen Töpfe der Stadtkasse: Klientelismus als Haushaltsposten
Alimentierung hochrangiger Staatsbediensteter und Parteifunktionäre
Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler und Kulturschaffende ab Nutznießer
Versorgung »Alter Kämpfer«
Zuwendungen an städtische Mitarbeiter, Spitzenbeamte und Ratsherren
Unterstützung der NSDAP und ihrer Gliederungen
4. Investitionen ins Image: die nackten Zahlen und der »schöne Schein«.
Das weite Feld der Image-Ausgaben
Festveranstaltungen ab Schwerpunkt der Imagepolitik
Das »Braune Band«
Die Stadt und die Kunst
5. Die Kosten des Größenwahns: der Ausbau der »Hauptstadt der Bewegung«.
»Führerbau«
»Führerstadt«
»Führerwille«
Gigantische Pläne — geringe Mittel — kreative Lösungen
Sonderbehörde und Sonderhaushalt
Viel Lärm um nichts?
Resümee
»Ordnung« und Wandel des Haushaltswesens
Finanzpolitik als Ressourcenmobilisierung
Haushaltspolitik als NS-Gesellschafispolitik
Buchhaltung und Verfolgung
Finanzen und Münchens Sonderstellung
Haushaltsexperten als NS-Funktionselite
Dank
Anhang Abkürzungen
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Quellen
Literatur
Personenregister