| Benedikt Frank https://muenchner-feuilleton.de
In Frank Schmolkes eindrucksvoller Graphic Novel wird der Taxifahrer zum Helden.
Es gibt Comic-Helden, die weder Umhang tragen noch Superkräfte besitzen. Vincent ist so ein Alltagsheld, statt Batmobil fährt er Taxi. Jede Nacht, zu allen möglichen Zielen, mit den unterschiedlichsten Gästen. Gleich in der ersten Szene sitzen zwei Geschäftsleute in seinem Fahrzeug. Richtung Flughafen, eilig, etwas schneller bitte, plötzlich Blitz: Führerschein und Fahrzeugschein, bitte. Was ihn die Kontrolle koste, fragen die Fahrgäste, nachdem sie schließlich ankommen. Einen Punkt und 125 Euro. Da bekommt einer von ihnen doch noch so etwas Ähnliches wie Mitgefühl und gibt Vincent Trinkgeld – ganze zwei Euro.
»Nachts im Paradies« heißt Frank Schmolkes neue Graphic Novel. Sie spielt im reichen, satten München, wie auch schon das Comic-Debüt des Grafikers 2013 mit dem Titel »Trabanten«. Schmolke fährt selbst seit ... mehr
| Florian Welle https://muenchner-feuilleton.de
Zugegeben, ein weltberühmtes Ungeheuer wie »Nessie« hat Bayern nicht zu bieten. Wer aber nun
denkt, in den hiesigen Gewässern würde es ungeheuer staad zugehen, der sieht sich nach der
Lektüre von »Wassersagen aus Bayern« eines Besseren belehrt. Im Walchensee tummelt sich ein
abscheulicher Drache, in der Aschauer Klamm lauert der Tatzelwurm mit seinem krokodilähnlichen
Maul, und am Chiemsee treibt die runzelige Wetterhexe ihr Unwesen. Karl-Heinz Hummel,
ausgezeichnet mit dem Ernst-Hoferichter-Preis, hat die aquadämonischen Sagen mit viel Liebe
zusammengestellt. Wie er zuvor schon bayerische Wirtshaus- und Raunachtsagen gesammelt hat.
Bei den Wassersagen war er allerdings nicht alleine. Eine ganz besondere »Muse« stand ihm bei:
das Rockadirl. Die rothaarige Wasserfrau mit dem großen Herzen am rechten Fleck flüsterte »dem
Schreiberling« mit »ihrer ... mehr
Autor: Fromm Waldemar, Knedlik Manfred, Schellong Marcel Verlag: Verlag Friedrich Pustet
Erscheinung: 3/2019
Überblicksdarstellungen zu historischen, kulturgeschichtlichen, kunstgeschichtlichen oder gar literaturgeschichtlichen Themen zählen nicht zu den häufigsten Publikationsformen in der deutschsprachigen Wissenschaftswelt. Umso erfreulicher ist es, dass es den drei Herausgebern Waldemar Fromm, Manfred Knedlik und Marcel Schellong gelungen ist, eine Literaturgeschichte Münchens von den Anfängen der Stadtentwicklung im 13. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart vorzulegen. Eine stattliche Anzahl von 57 Autorinnen und Autoren hat in 81 Beiträgen die enorme Zeitspanne von fast 800 Jahren literarischer Produktion in und um München sichtbar werden lassen. Die überwiegende Anzahl der Beiträge ist auf einen Umfang von fünf bis sieben Seiten beschränkt, nur die Einleitungsdarstellungen zu den jeweiligen historischen und stilistischen Epochen sind etwas ausführlicher auf maximal zehn Seiten angelegt. Auf den ersten Blick also eine beeindruckende Leistung und zudem auch e ... mehr
Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.
| Katrin Rüger https://buchpalastmuenchen.de
Die Geschichte von Andreas Lechners Großvater beginnt zwischen Mehlsäcken. Unermütlich stemmt Josef sie in die Höhe. Allerlei alte Eisengeräte dienen als zusätzliche Hantlen. In der Dachkammer des elterlichen Bauernhofes in Kolbermoor hat der 16-jährige Bursche sich seine Muckibude geschaffen. Sein Ziel ist es, das Mehlsacklaufen des Ortes zu gewinnen. Eine goldene Taschenuhr winkt als Preis und natürlich die Aufmerksamkeit des hübschesten Mädchen vor Ort. Diese mit bayerischem Schmackes erzählte Szene spielt 1910. Auch hier, wo man auf Tradition setzt, hält die Moderisierung, vom Staunen der Kinder begleitet, Einzug auf den Feldern. Große Saat- und Erntemaschinen, dampfende Ungetüme ersetzen zunehmend die Knechte und Mägde. Josef träumt davon Sportler zu werden, ein starker Mann. Den ersten Weltkrieg erlebt er in seiner ganzen, schwer in Worte fassbaren Brutalität. Er überlebt. Körperlich, aber auch seelisch offenbar wenig beschädigt. Lechner treibt es sch ... mehr
| Marion Hübinger https://buchpalastmuenchen.de
Heidi Rehns erster historischer Krimi um den Ermittler Emil Graf bietet in erster Linie das lebendige Bild Münchens 1945 kurz nach Ende des Krieges und weniger den kriminalistisch spannenden Fall mit der entsprechenden Ermittlungarbeit. Zu sehr sind die einzelnen Figuren verhangen in ihren Erinnerungen, guten, weniger guten oder sogar längst verschütteten. Da ist auf der einen Seite Emil Graf, ein junger Mann, der das Glück hatte, aus der Gefangenschaft in der Normandie heraus mit seinem amerikanische Vorgesetzten zur Münchner Polizei zu geraten. Außerdem kommt die Reporterin Billa ins Spiel, Jüdin, Exilantin mit amerikanischem Pass. Ihr zufälliges Auftauchen im Haus der ersten Leiche, die der Polizeianwärter Emil zu Gesicht bekommt, bringt eine Geschichte ins Rollen, die lange stagniert in eben diesen Erinnerungen. Der Leser darf dabei allerdings den Blick über das bayerische Voralpenland schwenken lassen, über die zerbombte Innenstadt oder die scheinbare ... mehr
| Florian Welle https://muenchner-feuilleton.de
In seinem preisgekrönten Werk geht Klaus Reichold den globalen Einflüssen auf die Bayern nach – eine etwas andere Mentalitätsgeschichte.
Mia san mia! Drei Worte, mit denen man landläufig die bayerische Lebensart auf den Punkt bringt. Was jedoch steckt wirklich dahinter? Klaus Reichold lüftet in seinem Buch »Warum Bayern ein orientalisches Land ist und andere weiß-blaue Wahrheiten« das Geheimnis. Der Spruch hat erst einmal überhaupt nichts mit dem Bayernvolk und schon gar nichts mit dem FC Bayern München zu tun. Sondern er taucht »zum ersten Mal Ende des 19. Jahrhunderts in Wien auf und diente dort lediglich der Selbstvergewisserung des k.u.k. Infanterieregiments Hoch- und Deutschmeister Nr. 4«, so der Kulturhistoriker.
Reicholds Buch verblüfft ein ums andere Mal mit Fakten, Hintergründen und Zusammenhängen. Weitere Beispiele wären etwa, dass die Mark Brandenburg von 1323 bis 1373 zum bayerischen Machtbereich zählte ... mehr
Es gibt wohl nur wenige Orte in Bayern, zu deren Bürgern ein vergleichbar kenntnisreicher Heimatforscher zählt, wie ihn die Marktgemeinde Altomünster (Lkr. Dachau) in Wilhelm Liebhart hat. Der langjährige Geschichtsprofessor an der Hochschule Augsburg beschäftigt sich schon seit den 1970er Jahren, also über mehr als 40 Jahre hinweg, mit der historischen Entwicklung seines Geburts- und Wohnortes, die er vom Mittelalter bis in die Gegenwart in all ihren Facetten untersucht und beschrieben hat, sei es die Herrschafts-, Kirchen-, Wirtschafts-, Sozial-, Bildungs- oder Kulturgeschichte. Allein in seinem neuesten Werk sind rund 40 Publikationen aus seiner Feder – von Aufsätzen in Fachzeitschriften bis hin zu umfangreichen Monographien – aufgeführt, die sich explizit mit Altomünster beschäftigen.
Bei diesem neuesten Werk handelt es sich um eine Gesamtdarstellung zu Geschichte und Gegenwart des Klosters Altomünster, dessen Anfänge mehr als 1250 Jah ... mehr
Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.
Heimatpflege hat die Aufgabe, kulturelle Überlieferungen zu bewahren und verantwortungsvoll weiterzuentwickeln. Auch der Bayerische Landesverein für Heimatpflege verfolgt diese Zielsetzung, wie sie etwa im Untertitel „erhalten und gestalten“ der „Schöneren Heimat“ zum Ausdruck kommt. Heimatpflege beschäftigt sich also maßgeblich mit gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Veränderungen, die sich in zunehmendem Maße auf unsere alltägliche Lebenswelt auswirken. Doch wie macht man dergleichen Umbrüche bewusst? Ein probates Mittel, Transformationsprozesse sichtbar zu machen, sind Fotos aus vergangenen Zeiten, die – teils subtil, teils drastisch – vor Augen führen, wie sehr sich in nur wenigen Jahrzehnten die Lebens-, Arbeits- und Wohnweise der Menschen, aber auch die Siedlungen und Kulturlandschaften gewandelt haben.
Einen solchen Weg der bildlichen Veranschaulichung wählt auch das Buch „ausgesprochen bayerisch“, das begleitend ... mehr
Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.
Kann man, ganz bequem vom Wohnzimmersessel aus und somit ohne sich nur einen Meter zu Fuß, per Fahrrad, mit dem Auto oder mit dem Zug zu bewegen, eine überaus ansprechende, informative und bildungsreiche Reise zu Geschichte, Kunst und Kultur in ganz Bayern machen? Man kann! Man braucht nur den von Katharina Weigand herausgegebenen und soeben erschienenen Sammelband zur Hand zu nehmen und mit dessen Hilfe dreiundzwanzig Ausflüge an diverse Orte in allen Landesteilen und Regionen unternehmen, „an denen entweder erstaunliche historische Ereignisse stattfanden oder zukunftsweisende Entscheidungen ihren Anfang nahmen, an denen bedeutende Menschen wirkten oder an denen in besonderer Weise die Erinnerung an einzelne Zeitabschnitte der Geschichte Bayerns, gerade auch an die NS-Zeit, aufrechterhalten wird“ (Einleitung, S. 11). Und je nachdem, ob man in Scheyern gedanklich Station macht oder in Bayreuth, in Münnerstadt oder in Fürth, in Augsburg oder in Neuburg an der Donau, in ... mehr
Diese Buchbesprechung hat uns die „Zeitschrift „Schönere Heimat“ zur Verfügung gestellt.
| Florian Welle https://muenchner-feuilleton.de
Man nannte sie »Skandalgräfin«: Fanny Liane Wilhelmine Sophie Auguste Adrienne Gräfin zu
Reventlow. Ihr unabhängiges Leben als Schwabinger Bohémienne und alleinerziehende Mutter
stellte in den letzten Jahren mit unschöner Regelmäßigkeit die Schriftstellerin Reventlow in den
Hintergrund. Nun gilt es, sie endlich wieder zu lesen beziehungsweise zu hören. Und zwar jenseits
ihres bekanntesten Romans »Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem
merkwürdigen Stadtteil«. Der kleine Regensburger LohrBär Verlag hat dankenswerterweise elf feinund
hintersinnige Erzählungen und Dramolette u.a. von Eva Sixt, Bettina Schönenberg und Christin
Alexandrow einlesen lassen. Benedikt Dreher sorgt mit dem Fagott für die passenden musikalischen
Zwischenrufe. Gerade wurde die Produktion als einer von zehn Titeln mit der Auszeichnung
»Bayerns Beste Indepen ... mehr